Plus Eins. Das Leben als „Trailing Spouse“

Mittwoch, 13.01.2016

Katharina von Tschurtschenthaler aus Bozen arbeitet vier Jahre lang für die ARD in Brüssel, bis sie im August 2014 ihrem Mann nach Tokio folgt - als sogenannte „trailing spouse“. Der Begriff „trailing spouse“ (engl. „to trail“ = folgen, nachziehen) beschreibt Personen, die aus beruflichen Gründen ihrem Partner in eine andere Stadt folgen. Offen und ehrlich erzählt die Journalistin von ihrer Erfahrung als „trailing spouse“ und über eine unverhoffte Schicksalswende. 



Katharina von Tschurtschenthaler (33) studierte Journalismus in München und Barcelona und absolvierte eine Ausbildung zur Redakteurin beim Bayerischen Rundfunk. 

„Dependent.“ Zu deutsch: abhängig, angehörig. Schwarz auf weiß. So steht es auf meinem Japan Visum, in meinem Pass. Als ich im August 2014 nach Tokio gezogen bin, um meinem Mann zu folgen, habe ich mich ganz offiziell „abhängig“ gemacht. 

Vor Tokio haben mein Mann Ben und ich in Brüssel gearbeitet, er für einen französischen Joghurthersteller, ich als Journalistin für die ARD. Obwohl in Brüssel ein Zuhause aufgebaut, wollten wir beide ins Ausland. Sesshaft werden in Europa, das kann später kommen. Lange hat Ben darauf hingearbeitet, und als der Ruf aus Tokio kam, musste alles plötzlich ganz schnell gehen. Einen Monat später war er weg. Ich bin geblieben, für weitere acht Monate. Um ein großes Projekt zu Ende zu bringen, bevor ich in Japan nach einem 12 Stunden Flug aus dem Flieger steige – ohne Job, abhängig.

Wer seinem Partner (ohne Job) ins Ausland folgt, weiß zwar in der Theorie, was ihn erwartet: eine neue Umgebung, neue Leute, Arbeitssuche. Meistens wird man in einem interkulturellen Seminar auf die neue Heimat vorbereitet. Die Realität peitscht einem de facto aber noch viel schonungsloser ins Gesicht. Eine neue Stadt heißt auch: neue Sprache, ungewohnte Umgebung, andere Kultur und – in meinem Fall – kein Job. Ein Schock, wenn man bis dato gewohnt war, mit dem roten Blinken des Blackberrys aufzuwachen.

Plötzlich hatte ich keinen Job mehr, kein Einkommen und war auch finanziell „dependent“ von meinem Mann. Klar, wir hatten keine existentiellen Sorgen. Mein Mann hat mich nicht eine Sekunde spüren lassen, dass das Geld, das er verdient, „sein“ Geld ist. Ben's Firma zahlt die schicke Wohnung im 17. Stock, wir haben nicht nur eine Rundum-sorglos Krankenversicherung, sondern auch eine Reisepauschale, einen Bonus...Paradiesisch! Japan ist ein wunderbares Land, wir reisen viel, ich habe mich sofort in meiner Wahlheimat Tokio wohlgefühlt und großartige Freunde gefunden. Was beklagt sie sich denn, werden sie einige fragen. 

Ja, es geht uns gut, einer verdient soviel wie vorher zwei, aber bei vielen Paaren, die ins Ausland gehen, bleibt die Karriere des Partners häufig auf der Strecke. Ich fühlte mich anfangs, als hätte mir jemand einen Arm und ein Bein abgeschnitten. Lange Jahre hatte ich mich über meinen Job definiert und auf einmal war dieser Teil meines Lebens weggebrochen. Wir haben keine Kinder, dafür hatte ich auf einmal viel Zeit. Die ich aber nur bedingt genießen konnte, denn eigentlich wollte ich ja arbeiten.

Es geht vielen so: Eine befreundete Finnin hat in ihrer Heimat als Chirurgin gearbeitet. In Japan hat sie keine Zulassung. „Statt mit Operationsbesteck hantiere ich jetzt nur mehr mit Küchenutensilien“, erzählt sie mit Wehmut. Eine deutsche Freundin arbeitete für die UN in New York, jetzt hat sie gerade ihr zweites Kind gekriegt. „Work online or pop out babies“ - online arbeiten oder Kinder kriegen, erzählt mir eine Bekannte – Tokio ist ihre fünfte Expatriation.

Dabei wollen die meisten „PlusOne“ sehr wohl arbeiten. Eine Studie aus dem Jahre 2009, die 3.300 mitreisende Partner befragt hat, kam zu dem Ergebnis, dass 75 Prozent derjenigen, die im Ausland nicht arbeiten, gerne arbeiten würden. 90 Prozent hatten vor ihrer Expatriation gearbeitet. Diejenigen, die im Ausland einen Job gefunden hatten, gaben an, dass das der Beziehung gut getan habe. Das Klischee vom „Expat wife“, die ihre Tage mit Maniküre, Shoppen und „vielleicht irgendwas mit Charity“ verbringt, stimmt also nicht, oder nur bedingt. Ich habe festgestellt: Die meisten mitreisenden Partner werden in diese Rolle gedrängt. 

Ich hatte Glück: Nach zwei Monaten in Tokio hatte ich meine ersten Aufträge für Artikel, dann kam ein anderes Magazin dazu, dann noch eines und schließlich auch das Radio. Beruflich Fuß zu fassen in Tokio war anfangs schwierig, ich musste mich komplett neu erfinden, Klinken putzen gehen. Glücklicherweise habe ich einen Mann, der mich fortlaufend ermutigt hat, weiterzukämpfen, der meine Launen ertragen hat, wenn ich mich über meinen sinkenden Marktwert beklagt habe und ihn verantwortlich für meine Situation gemacht habe – obwohl ich genauso ins Ausland wollte wie er.

Vor zwei Wochen kam die Nachricht: Mein Mann hat einen neuen Job in Paris. Ab Mitte Januar. Am selben Tag bekam ich einen Anruf vom ARD Fernsehkorrespondenten hier in Tokio. Er bot mir an, als freie Mitarbeiterin für ihn zu arbeiten. In Tokio. Unsere Wohnung hier: gekündigt. Der Umzug: organisiert. Mein Mann verlässt das Land und damit verfallen auch mein Visum und meine Arbeitserlaubnis. Denn ich bin als „dependant“ hier.

Ab Januar sind wir also wieder in Europa. Mein Mann in Paris. Auch ich werde in Paris wohnen – am Wochenende, für die Liebe. Unter der Woche werde ich in Brüssel sein – zum Arbeiten. Und vielleicht komme ich im Frühjahr noch einmal nach Tokio: diesmal für meinen Job.

Ein Text von Katharina Tschurtschenthaler

Sind auch Sie Ihrem Partner / Ihrer Partnerin ins Ausland gefolgt oder spielen Sie mit dem Gedanken, den Schritt zu wagen? Gibt es Aspekte, die Sie besonders interessant finden oder haben Sie Fragen an unsere Autorin. Katharina von Tschurtschenthaler freut sich über Fragen, Feedback und Erfahrungsaustausch: katharinavont@gmail.com 

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