"Es wird immer schwieriger Projekte finanziell abzusichern"

Samstag, 27.06.2015

Andreas Runggatscher ist seit nunmehr 15 Jahren als Executive Director des Rotary Clubs in New York tätig. Im Südstern-Interview erzählt er von den Zielen der Non-Profit-Organisation und der Faszination New Yorks.


Sie sind Executive Director des Rotary Clubs in New York. Wer ist Rotary und was steckt eigentlich hinter dieser Organisation?

Rotary ist eine weltweit bedeutende Non-Profit-Organisation, die ungefähr 1.3 Millionen Mitglieder zählt. Ursprünglich gegründet von Paul Harris in Chicago, kommt der Begriff Rotary von rotieren. Die ersten Mitglieder haben sich regelmäßig an verschiedenen Orten getroffen. Community Service oder “Service Above Self” ist das Motto von Rotary. Daher ist es klar, dass Rotary nicht selbstdienend ist. Ich habe diesen Aspekt immer faszinierend gefunden.

Was macht Rotary konkret?

Rotary hat zusammen mit Bill Gates gearbeitet um Polio zu bekämpfen. Es gibt daher weltweit nur mehr kleinere Zellen dieser Krankheit. Viele Rotary Clubs organisieren lokale Projekte. Beispielsweise arbeitet der Rotary Club of New York mit Gift of Life zusammen, um Kinder mit Herzkrankheiten aus Entwicklungsländer einzufliegen und ärztliche Hilfe zu leisten.

Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um als Mitglied aufgenommen zu werden?

Um als Rotary Mitglied aufgenommen zu werden, sollte man bereits Karriere gemacht haben und den Wunsch äußern, seine eigenen Fähigkeiten in der Organisation zur Verfügung zu stellen. Deshalb gehören Enthusiasmus und Leidenschaft zu den wichtigsten Eigenschaften der Rotarier. 

Gibt es auch für Jugendliche die Möglichkeit sich zu engagieren?

Ja, Rotary hat eine Sparte für Jugendliche, die sich Rotaract nennt: Für noch jüngere Interessierte besteht außerdem die Möglichkeit, Interact beizutreten. Alle Sparten beruhen auf denselben Prinzipien, sind aber selbstverständlich an die Altersgruppen angepasst.

Sportveranstaltungen werden zunehmend zum Spendensammeln genutzt: Beispielsweise kann man auch über Rotary einen garantierten Startplatz für den New York-Marathon erhalten. Macht Spendensammeln durch einen Lauf überhaupt Sinn?

Der NYC Marathon war für etliche Jahre eines der wichtigsten Spendenprojekte für den Rotary Club of New York. Da wir durch die Marathon – New York Roadrunners “non-profit entries” zu günstigen Bedingungen erhalten haben, konnten wir diese an die Läufer weitergeben. Interessierte Teilnehmer mussten sich aber verpflichten, mindestens $3,000 an Spenden zu sammeln. Da immer mehr Organisationen nun in diesem Bereich tätig sing, hat auch die Lukrativität für uns abgenommen. 

Der Big Apple ist zweifelsohne für viele ein Traum, aber auch eine Stadt der Gegensätze. Neben dem teuersten Penthouse der Welt, gibt es nur eine geringe soziale Absicherung und eine steigende Zahl an Obdachlosen: Das Ende des amerikanischen Traums?

New York hat mich sehr beeindruckt als ich im Jahr 1995 in den USA landete. Die allermeisten Besucher werden wohl diesen ersten, bleibenden Eindruck teilen. Um es kurz und knapp auszudrücken: New York schläft nicht. Allerdings bemerkt man nach einiger Zeit auch die negativen Seiten dieser Stadt: Die Infrastruktur wird nicht wesentlich ausgebaut und mancherorts werden Instandhaltungsarbeiten gar nicht ausgeführt: Straßen voller Löcher und beinahe einstürzende Brücken sind keine Seltenheit. Das stellt für mich ein Paradox dar, da der Stadt doch eine beachtliche Summe zur Verfügung steht. 


Wie wuchs Ihr Engagement bei Rotary und inwieweit ist eine solche Karriere planbar?

Ich habe ursprünglich im Hotelmanagement bei Intercontinental, Swissotel und The Plaza gearbeitet. Dann habe ich ein Angebot vom Metropolitan Club, einem sehr exklusiven Privatclub, erhalten. Von dort bin ich dann irgendwann zum Rotary Club gestoßen, für den ich jetzt seit nahezu 15 Jahren als Executive Director arbeite.

Welche Fähigkeit ist essenziell, um zwischen Institutionen, Körperschaften und privaten Gönnern erfolgreich zu vermitteln?

Die wichtigsten Fähigkeiten für diese Position ist Intuition, da es gilt mit den unterschiedlichsten Charakteren zusammenzuarbeiten und zu verhandeln: Das erfolgreiche Sammeln von Spenden wäre ansonsten schlicht unmöglich. 

Welchen Ratschlag würden Sie einer jungen Südtirolerin mit auf den Weg geben, die eine Karriere bei einer Nichtregierungsorganisation einschlagen möchte?

Es ist selbstverständlich möglich in eine Nichtregierungsorganisation einzusteigen: Allerdings hat der Druck auf das Fundraising beträchtlich zugenommen. Allerdings ist es schon auch eine große Genugtuung, wenn man durch seinen Beruf positive Veränderungen bewirken kann. 

Haben Sie während der Finanzkrise einen Spendeneinbruch erlebt? Wie können Nichtregierungsorganisation in diesem Umfeld trotzdem langfristig Projekte planen und durchführen?

Es wird immer schwieriger langfristige Projekte finanziell abzusichern: Kreativität ist daher von großer Bedeutung.


Rotary ist international als treibende Kraft im Kampf gegen die Kinderlähmung bekannt: Das Virus ist jedoch wieder auf dem Vormarsch. Welche Gedanken spielen sich in den Köpfen der Rotarier ab, wenn hart erkämpfte Erfolge in kurzer Zeit zunichte gemacht werden?

Dabei handelt es sich um eine sehr enttäuschende Entwicklung: Abgesehen von einer neuen Initiative, werden vor allem beträchtliche Summen an Fördermitteln nötig sein, um dem entgegenzuwirken. 

Was ist die beste Medizin gegen Heimweh?

Leider gibt es kein Mittel gegen Heimweh:  Ich vermisse Südtirol und versuche deshalb auch so oft wie möglich zurückzukommen. 

Was wünschen Sie sich für Südtirol?

Ich wünsch Südtirol nur das Beste und verfolge regelmäßig die lokalen Geschehnisse. Ich kann mir sehr gut vorstellen, in das wunderschöne Heimatland zurückzukehren, sollte eine interessante Führungsposition zur Verfügung stehen. Oft stellt man erst nach einem langen Auslandsaufenthalt fest, was man in der Heimat zurückgelassen hat. 

Interview: Alexander Walzl 

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