“Stillstand macht mich nervös”

Montag, 10.02.2020
Dumëne Comploi aus St. Vigil in Enneberg ist Projektleiter und Kreativdirektor bei Walt Disney Imagineering Research and Development in Los Angeles. Dort arbeitet er mit einem Team aus Kreativen an neuen Projekten. Im Interview erzählt der 36-Jährige, wie er durch Zufall bei Disney gelandet ist und was trotz der langen Zeit in den Staaten typisch Südtirolerisch an ihm geblieben ist.

 

Dumëne, du bist Experte für Computergrafik und Videoproduktionen und beschäftigst dich in deiner Arbeit mit künstlicher Intelligenz und Spezialeffekten. War Kunst immer schon ein Thema für dich?

Ich habe in der Volks- und Mittelschule sehr viel gezeichnet und war, wenn man es heute so sagen will, ein kreatives Kind. Als ich zehn war, habe ich mit ein paar Freunden eine kleine Firma ‘gegründet’. Wir haben in unserem Keller dann aus Holz Spielzeug gebaut und an Verwandte verkauft. Eine Weile habe ich auch T-Shirts bemalt. Deshalb wollte ich auch die Kunstschule in Gröden besuchen.

Es ist dann doch die technische Richtung des Realgymnasiums geworden. Warum?

Meine Mama hat mich überredet. Sie machte sich ernsthaft Sorgen, dass ich als arbeitsloser Künstler ende, und legte mir ans Herz, eine allgemeinbildende Schule zu besuchen. Am Ende war es kein Nachteil: Die Grundlagen des Programmierens habe ich in der Schule gelernt. An meinen Mathematik- und Informatiklehrer denke ich noch immer gerne zurück. Er war ein untypischer Lehrer, hat immer versucht, aktuelle Themen und Fragestellungen in mathematische Lösungen umzuwandeln. Das Zeichnen ist in dieser Zeit etwas in den Hintergrund gerückt, vergessen habe ich es aber nicht. Die Entscheidung, in welche Richtung ich nach der Matura weitergehen möchte, war keine leichte. Ich hatte einfach zu viele Interessen. Deshalb entschied ich mich wieder für ein Studium, das in eine allgemeine Richtung ging. . .

. . . und du hast dich an der TU in Wien Architektur inskribiert. 

Ich hatte schon einige Sommer zuvor bei einem Architekten gearbeitet und durfte bei ihm viel mit Autocad arbeiten. Es hat mir damals ziemlich gefallen, irgendwelche Profile für Ornamente zu digitalisieren. Nachdem ich mir ein Jahr die technischen Grundlagen geholt hatte, bewarb ich mich an der Universität für angewandte Kunst Wien. Professor Greg Lynn hat mich dann aufgenommen. Die Zeit dort hat mich sehr geprägt: Das Wort ‘angewandt’ ist Programm. Der ganze Fokus liegt auf dem Zeichenprojekt. Wir haben viel autodidaktisch und wie verrückt gearbeitet. In der Zeit habe ich auch einen Austausch an der Uni in LA gemacht, was mir ziemlich getaugt hat, auch wenn es so anders war als in Europa.

Dann hattest du das Studium in der Tasche und ein klares Ziel?

Ich war nie einer, der wusste: Genau da will ich hin. Während des Studiums habe ich nebenbei noch in einem Büro für Werbeanimation gearbeitet und Konzeptdesign für Produkte gemacht. Ich habe eine Leidenschaft für die Vernetzung von Oberflächen entwickelt, wodurch man Materialien leicht machen kann, durch neue innovative Designmethoden und Anwendung von 3D-Druckern. Dann habe ich einen Wettbewerb von Red Bull gewonnen, arbeitete für einen Designer in London und fragte mich, wohin der Weg führen sollte. Einerseits hätte ich Interesse gehabt, eine akademische Ausbildung weiterzumachen. Auf der anderen Seite stand meine Liebe zum Design. Ich habe dann ein Stipendium vom Land Österreich bekommen und angefangen, meine eigene Firma aufzubauen. Aber dann kam Greg Lynn zu mir, der inzwischen ein echter Mentor geworden war. 

Was wollte er?

Er sagte: Dumëne, du musst zeichnen! Ich habe da ein Programm in LA, an dem du teilnehmen könntest. Da kannst du ein Jahr mit Industriepartnern zusammenarbeiten. Er hat mich überzeugt, ich habe mich beworben und wurde genommen. Als ich nach LA kam, hatte ich keine Ahnung, dass der Partner aus der Industrie Walt Disney Imagineering war. 

Mickey Mouse, Bambi, Cinderella: Warst du als Kind Fan des Disney-Universums?

Nicht wirklich. Und ich wusste gar nicht, dass es neben den klassischen Comicfiguren noch ganz anderes aus dem Hause Walt Disney gab. Ich durfte programmieren, an Animationen arbeiten, die technische Seite kennenlernen: Es hat mir auf Anhieb gefallen. Ich habe in dem Jahr viel gelernt und wusste mit einem Mal, in welche Richtung ich gehen will: Visual Effects. Seither bin ich Creative Technology Designer und leite ein dynamisches Team aus Künstlern und Programmierern. 

Was machst du dort genau?

In den ersten Jahren habe ich mich viel mit Projektionen beschäftigt, also neue Konzepte und Tools erarbeitet, wie man mit hoher Qualität Visual Effects und Filme in den Raum bringen kann. In Orlando gab es zum Beispiel ein Piraten-der-Karibik-Erlebnis, oder in Japan eine Live-Performance, die wir umgesetzt haben. Seit etwa drei Jahren arbeite ich im Bereich, wo das Produkt erst im Entstehen ist. Es gibt Projekte, die ich komplett verantworte - von der Erstellung des Projektplans, Budget, Ressourcen. Ich pitche auch mögliche neue Projekte vor Kunden. Das alles geht nicht von einem Tag auf den anderen: Gerade bin ich dabei, einen Kunden für ein Projekt zu finden, an dem wir drei Jahre gearbeitet haben. 

Hast du eine Disney-Lieblingsfigur?

Als Kind nannten mich die anderen oft Dumbo, sozusagen als Abkürzung meines Namens. Das passt schon, denn ich mag graue Kreaturen. Mein Lieblingstier ist der Esel. 

Was würdest du einem jungen Mensch heute raten: Planen oder treiben lassen?

Ich war immer sehr aktiv, fast schon hyperaktiv. Meine Neugier kann ich kaum bremsen. Als ich die Uni fertig hatte, war ich ziemlich müde von dem hohen Tempo. In den letzten Jahren bin ich gechillter geworden und kann besser relaxen. Nichtsdestotrotz bin ich jemand, der sagt: Ich mag, wenn etwas los ist. Stillstand macht mich nervös. Deshalb mein Rat - vielleicht von beidem etwas? 

Wie oft kommst du nach St. Vigil zurück?

Weihnachten ist ein Fixtermin. Meine Frau stammt aus Kanada und kommt immer mit. Den Sommerurlaub verbringen wir abwechselnd in Kanada oder Südtirol. 

Du lebst seit mitterweile über zehn Jahren in den Staaten. Gibt es Bereiche, wo du deine Südtiroler Wurzeln dennoch stark spürst?

Es ist die Sprache. Als Ladiner habe ich mich immer schon viel mit Identität beschäftigt, alle Minderheiten machen das. Ich spreche keine Sprache perfekt, muss mich immer anstrengen. Die Liebe zum Leben, zur Natur, zum Essen, das ist auch typisch Südtirolerisch an mir, genau wie die Offenheit für andere Kulturen, das Wertschätzen solcher Einflüsse. Ich denke, darin sind wir jungen Südtiroler uns doch recht ähnlich.

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