Volle Power

Sonntag, 20.12.2020
Newcomer des Jahres, Europatournee und der Weg steil nach oben: 2020 hätte für das Pop-Duo „Anger” ein bombastisches Jahr werden sollen. Dann kam Corona und mit der Pandemie eine ordentliche „Watschn”. Warum die Zeit des Lockdowns für Nora Pider und Julian Angerer, die auch im Leben fernab der Bühne ein Paar sind, trotzdem eine gute war, erzählen die Musiker im Interview. Dabei verraten sie auch, was ihre Karriere mit Zehnjahresplänen zu tun hat und welches Highlight Südsterne bei ihrem Auftritt beim digitalen Jahresevent erwartet.

 

Wart ihr immer schon auf einer Wellenlänge?

Nora: Der Anfang war vielleicht ein bisschen holprig (lacht). Wir haben die gleiche Mittelschule in Brixen besucht. Da gab es so einen Radständer, wo wir alle unsere Bikes geparkt haben. Jules war damals recht klein und dünn, und als er einmal auf mich zukam, sagte ich zu ihm: Hei DJ Zündi, bist du auch schon 13? Dann hat er mich so traurig angeschaut. Ich seh ihn heute noch mit seiner Pilzfrisur vor mir. 

 

Pilzhaarschnitt mit 13? War dir dein Style immer schon wichtig?

Julian: Ich bin immer schon ein bisschen aufgefallen, mit dem, was ich getan habe. Aber Nora zu beeindrucken war gar nicht einfach. Auf einer amerikanischen Highschool wäre sie wohl sowas wie die Anführerin der Cheerleader gewesen. Sie war ein Skatergirl, und ich in meinen engen Jeans und Shirts mit toten Vögeln drauf eher das Kontrastprogramm. Trotzdem hatten wir in der Oberschule dann einen gemeinsamen Freundeskreis und haben viel Zeit zusammen verbracht. Und dann, viel Zeit später...

 

Wie schwierig war der Weg von Brixen hinaus in die Musikwelt?

Es ist ein bisschen wie bei den Bergsteigern früher. Im Grunde haben wir Pionierarbeit gemacht. Es gab ja keine Vorbilder in Südtirol, die mit dieser Art von Musik versucht haben, die Landesgrenzen zu sprengen. Für uns war der größte Schritt, das Bewusstsein zu schaffen, dass es möglich ist. Unsere Familien und Freunde haben uns von Anfang an dabei unterstützt. 

Nora: Egal, ob du in Südtirol lebst oder in Wien: Wenn jemand sagt, ich werde Popmusiker, dann werden die Reaktionen immer ähnlich sein. Ja, ja, macht nur. Die Menschen nehmen einen nicht wirklich ernst. Erst wenn man fernab der Heimat Erfolg hat, ändert sich das. Obwohl man davor vielleicht die gleich coole Band war. 

 

Anger gibt es seit 2017. Nur drei Jahre später seid ihr mit dem FM4-Award beim wichtigsten österreichischen Musikpreis Amadeus ausgezeichnet worden. Das ist eine Hausnummer. 

Julian: Definitiv. Das hat alles auf eine ganz andere Ebene gehoben. Es ist der wichtigste Musikpreis, den wir gewinnen konnten. 

 

Macht es so eine Auszeichnung leichter?

Nora: Ja, definitiv. Es ist nicht nur eine Anerkennung für die Arbeit, die man bisher gemacht hat, sondern auch eine Art Gütesiegel. Wie bei der Milch. Alle nehmen dich plötzlich mehr ernst. Du musst weniger Kraft aufbringen, wenn du ausgezeichnet wirst. 

Julian: Das ist gerade jetzt wichtig, da wir nicht live spielen können. Wir sind eine Live-Band, und wenn die Leute kommen und uns hören, da überzeugen wir eigentlich immer. Das ist unsere große Stärke und das war in dem Jahr leider nur eingeschränkt möglich. Wir brauchen den Beifall, sonst wären wir keine Band. Auszeichnungen helfen. Die Kunst- und Kulturszene hat es im Moment überall auf der Welt einfach schwer. 

 

Ihr habt beide Kunst studiert. Wie viel Wert legt ihr auf Styling?

Das ist eine große Lust bei uns. Alles ist eine Bühne. Wenn du einen Raum betrittst, dann musst du strahlen. Wenn du coole Klamotten hast, ist das einfacher. Wir fühlen uns auf der Bühne extrem gut. Wenn man vor vielen Leuten spielt, muss man sich spüren. Gute Sachen zu tragen, trägt bei uns wesentlich dazu bei. 

Nora: Wir haben früher viel Theater, Performance und Installationen gemacht. Wir können gar nicht anders, als das Bild immer mitzudenken. Wie passt das Bild zur Musik? Wie konzeptionieren wir das? Wie können wir dadurch mehr herausholen? Natürlich gibt es Metaphern in unseren Songs, die jeder auf sich beziehen kann, aber wir sprechen viel von unserer Beziehung, davon, was zwischen uns abläuft. Und deshalb war es uns immer schon wichtig, dass wir die Protagonisten der Videos sind und uns darin als Anger inszenieren. 

Julian: Wir sind beide Kontrollfreaks. Ich weiß gar nicht, ob wir es überhaupt zulassen könnten, dass jemand anderes das spielt. 

Ihr arbeitet rund um die Uhr an Anger. Wie viel Streit steckt in den Songs?

Nora: Im Lockdown haben wir noch mehr Zeit zusammen verbracht als sonst. Aber wir streiten weniger. Vielleicht, weil wir nicht auf Tour waren, das ist immer sehr stressig…

Julian: ... ich glaube es hängt auch damit zusammen, dass wir unsere Rollen erst erkämpfen und finden mussten. Über die letzten Jahre hat sich das professionalisiert. Nicht nur, weil wir Menschen um uns haben, die uns unterstützen, sondern weil auch wir gelernt haben, unseren Alltag zu gestalten. 

Nora: Ja, stimmt. Wenn man alles selber machen muss, ist es viel nervenaufreibender. Jetzt ist das unser Beruf, auch das gibt Sicherheit. 

 

2020 hättet ihr auf Europatournee gehen sollen. Dann hat euch die Pandemie fast gänzlich ausgebremst. Wie fühlt sich das an?

Julian: Wie eine riesige Ohrfeige. Wir haben 2019 beim Waves-Vienna-Festival in Wien den Preis als Newcomerband bekommen, sind Ende des Jahres nach Groningen aufs wichtigste Showcase-Festival gefahren und haben ein mega Konzert gespielt. Dann war plötzlich März und wir mussten 35 Konzerte absagen, die in ganz Europa stattgefunden hätten. Wir wären bis Oktober nonstop auf Tour gewesen. Das mussten wir erstmal verdauen. 

Nora: Am Anfang war es ein Schock, ganz klar. Auch Angst spielte mit hinein, wie es wohl weitergehen würde. Aber dann haben wir angefangen, uns die ersten Freiräume im Kopf zu schaffen. Wir hatten plötzlich Zeit. Wir haben an unserer Kunst gearbeitet, ein neues Album geschrieben. Wir hatten Zeit, das, was in der kurzen Zeit seit 2017 passiert ist, zu verarbeiten. Ich hatte auch das Gefühl, es würde sich zum ersten Mal alles langsam setzen. 

 

Das neue Album, ein Soundtrack dieser besonderen Zeit?

Ja, irgendwie schon. Es spielt sehr viel in der Natur, im Wald. Wir haben extrem viel gesportelt die ganze Zeit und gerade in diesen Tagen ein Video am Berg gedreht. 

Julian: Aber es ist kein Abbild von Corona, sondern von unseren Freiräumen, die sich aufgetan haben. Wir haben reflektiert, wer wir sind. Es passiert im Leben manchmal, dass man sich verliert und gar nicht mehr weiß, warum man etwas macht. Diese Gedanken waren in der Zeit da, und wir haben sie im Album auch verarbeitet. 

Nora: Wir haben immer gesagt: Nichts und niemand kann uns aufhalten. 

Julian: Aber die Pandemie hat uns gezeigt, dass es nicht immer geht, Grenzen zu brechen. Irgendwie fühlt es sich an wie ein verlorenes Jahr und auf der anderen Seite war es sehr wertvoll. Ich habe so viel über mich gelernt wie noch nie. 

 

Was ist die wichtigste Erkenntnis?

Es wirkt bei mir vielleicht nicht so, aber ich glaube schon, dass mich die Meinung der anderen immer sehr geprägt hat. Jetzt habe ich gemerkt, wenn man viel Zeit zu zweit oder alleine verbringt, dann bekommt man so ein Urvertrauen in sich selbst. Ich habe verstanden, dass ich das in erster Linie für mich mache. Und dann ist da der Faktor Zeit. Wir waren ultragestresst. Wir wollten so viel, am besten alles auf einmal. Wir sind morgens ins Auto gestiegen, am Nachmittag rausgefallen und direkt hinauf auf irgendeine Bühne. Wir haben gelernt, herunterzukommen und die Dinge auch langsamer anzugehen. 

 

Planen oder treiben lassen?

Nora: Auf jeden Fall planen. Anger ist unser Unternehmen. Wir planen in Zehnjahresschritten und schreiben Jahr für Jahr unsere Ziele auf. Sie sind sehr konkret und ambitioniert. Nummer 1 Hit landen. Preis gewinnen. Europatournee starten. Was ja auch geklappt hätte… Mit einem Virus konnte ja niemand rechnen. Im Moment fühlt es sich gut an, dass für die Zeit ab Mai wieder Anfragen eintrudeln. Das gibt uns das Gefühl, dass es in der Branche wieder aufwärts geht. Wir bleiben positiv. 

 

Südsterne können euch jetzt schon beim digitalen Jahresevent erleben

Julian: Uns muss man nur auf eine Bühne stellen, dann sind wir happy. Selbst wenn es eine digitale Bühne ist. Es wird eine halbe Stunde Power von Anger geben, und wir finden es sehr cool, dass wir dabei sind. 

Nora: Wir spielen einen neuen Song. Der kommt am 1. Januar raus, beim Südstern-Jahresevent wird es die Vorpremiere geben. Es ist unser erstes Lied in Dialekt. In der Muttersprache zu singen, ist nochmal intimer. Dadurch werden die Leute noch näher an uns rankommen. 

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