„Echte Trachtenmode ist nicht Made in China“

Montag, 07.01.2013
Anne-Rose Conzelmann aus Meran hat ihren eigenen Stil. Die 36-jährige Designerin und Moderatorin des Südstern-Planeten „Stuttgart“ hat im Sommer ihre erste Kinderkollektion aus Walkstoff entworfen. Im Interview spricht die diplomierte Bekleidungstechnikerin über nachhaltige Mode und verrät, was ein Schokoladen-Ei damit zu tun hat.


Anne-Rose Conzelmann (36) aus Meran lebt in Weinstadt bei Stuttgart und gründete im Sommer 2012 ihr eigenes Modelabel.

Südstern: Gemeinsam mit Ulrike von Dellemann moderieren Sie den Südstern-Planeten „Stuttgart und’s Ländle“. Wie kam es denn zur Geburt dieses Planeten?
Anne-Rose Conzelmann: Vor zwei Jahren habe ich Ulrike über das Netzwerk Südstern kennengelernt. Da Ulrike nicht weit von mir entfernt wohnt, haben wir ein Treffen vereinbart und uns gleich gut verstanden. Schnell haben wir herausgefunden, dass es noch mehr von uns Südsternen in der Gegend gibt und ein größeres Treffen in Stuttgart im Cafe Meran organisiert,  das von einer Südtirolerin aus dem Passeiertal geführt wird.

Südstern: Erst vor Kurzem fand wieder ein Planetentreffen statt. Worüber tauschen Sie sich bei den zahlreichen Treffen aus?
Anne-Rose Conzelmann: Es geht uns weniger um berufliche Kontakte, sondern darum, einen netten Abend unter Südtirolern zu verbringen. Es gibt immer spannende Neuigkeiten, wie Hochzeiten oder Nachwuchs. Interessant ist: Wer kennt wen? Hat man gemeinsame Bekannte in Südtirol? Wie finden wir uns im Ausland zurecht? Wollen wir irgendwann zurückkehren? Ich staune immer wieder darüber, wie stolz die Südtiroler im Ausland auf ihre Heimat und Herkunft sind.

Südstern: Aufgewachsen in Meran, lehren Sie heute an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart Textildesign. Was müssen JungdesignerInnen mitbringen, um in der Textil- und Designbranche langfristig überleben zu können?
Anne-Rose Conzelmann: Kreativität, ein Gespür für Trends und ein gutes Marketing sind gefragt. Das Ziel ist ja, das eigene Label auf dem Markt zu positionieren und zu verkaufen. Will man hingegen bei einem bereits etablierten Label anfangen, sollte man sich in das jeweilige Produkt gut einfühlen können. Da muss man den eigenen Geschmack schon mal außen vor lassen.

Südstern: Manche Kleidungsstücke auf den Laufstegen in Mailand und Paris lassen sich wohl nur schwer an die Frau oder den Mann bringen. Welchen Sinn hat diese untragbare Mode?
Anne-Rose Conzelmann: Diese Mode ist Kunst. Stars machen ausgefallene Modelle zu ihrem Markenzeichen und die Designer profitieren davon. Ich denke da etwa an den Kegel-BH von Jean Paul Gaultier, den Pop-Ikone Madonna 1990 getragen hat. Das Stück ist im Alltag untragbar – und soll es auch nicht sein –, aber Gaultier hat damit seinen Durchbruch geschafft. Zugegeben, ich selbst brauch’ auch keine Abendrobe von Armani – mir würde allein schon der passende Anlass fehlen (lacht).

Südstern: In diesem Sommer haben Sie Ihr eigenes Modelabel (www.anne-roseconzelmann.com) gegründet. Auch Ihre Kollektion mit Jacken aus Walkstoff ist nicht für jedermann tragbar – sie ist nur für Kinder. Wie kam es dazu?
Anne-Rose Conzelmann: Als meine Tochter zwei Jahre alt war, habe ich in einem Stoffgeschäft eine Rolle Walkstoff entdeckt und ihr eine Kapuzenjacke daraus genäht. Nachdem meine Tochter rausgewachsen ist, haben wir sie immer wieder an Freundinnen weitergegeben. Wenn die Jacke bei anderen so gut ankommt, warum nicht eine Kollektion entwerfen? Nebenbei ist es als Mutter von drei Kindern nicht leicht eine Halbtagsstelle zu finden, also hab ich mein eigenes Label gegründet und mein Mann unterstützt mich dabei. Jetzt bin ich gespannt, was d’raus wird!

Südstern: Wie kommt Ihre Mode bei den eigenen drei Kindern an?
Anne-Rose Conzelmann: Zum Glück sehr gut (lacht). Meine beiden Töchter sind total begeistert, nur bei meinem Jüngsten musste ich anfangs noch nachhelfen. Er wollte seine grüne Biker-Jacke zuerst nicht anziehen. Mit einem Kinderüberraschungs-Ei konnte ich ihn aber dann überreden. Seit diesem Tag liebt auch mein Sohn die Jacke und zieht sie jeden Tag zum Kindergarten an.


Anne-Rose Conzelmann setzt bei ihrer Kinderkollektion auf ökologischen und nachhaltigen Walkstoff. Tochter Mara und Sohn David fühlen sich in Mamis Jacken wohl.

Südstern: Derzeit gibt’s einen Hype um Trachtenmode – auch außerhalb der Oktoberfest-Saison. Würden Sie Ihre Walkjacken als Trachtenmode bezeichnen?
Anne-Rose Conzelmann: Bitte nicht! (lacht). Mein Slogan lautet nicht umsonst: „Zeitlos und stilsicher, modern statt trachtig“. Als Teenager war ich richtig „stuff“ von den Trachten, die zu jedem Dorffest getragen wurden. Und heute sind mir die Trachten zu kommerzialisiert. Ein Polyesterdirndl „made in China“ für 95€ ist nicht das, was ich unter Trachtenmode verstehe. Außerdem gibt es schon verschiedene namhafte Hersteller, die trachtige Walkjacken für Kinder anbieten. Wer will, darf meine Biker-Jacken aber gerne zur Lederhose kombinieren – oder den Kurzmantel übers Dirndl tragen.

Südstern: Warum arbeiten Sie mit Walkstoff?
Anne-Rose Conzelmann: Das Walken habe ich vor Jahren bei einem Sommerpraktika in Südtirol kennengelernt, es beim Studium in Deutschland aber aus den Augen verloren – es war damals auch eher out. Walkstoff wird aus reiner Schurwolle hergestellt, ist leicht, temperaturregulierend und passt sich an die Körperform an. Viele Kleider, die wir heute tragen, bestehen aus Kunstfaser und werden mit umwelt- und gesundheitsschädlichen Verfahren hergestellt. Als Mutter ist es mir wichtig, dass mein Kind ein schadstofffreies und ökologisches Produkt trägt.

Südstern: Worauf achten Sie bei Ihren Walkjacken in puncto Ökologie und Nachhaltigkeit?
Anne-Rose Conzelmann: Das Garn kommt von einem Bregenzer Unternehmen mit „Bluesign“-Standard für Umwelt, Gesundheit und Produktionssicherheit. Dort achtet man etwa auf einen effizienten Einsatz von Energie und Wasser. Der Walkstoff wird in Österreich auf Rundstrickmaschinen gestrickt und dann gewalkt. Der Produzent hat ein Patent auf den Herstellungsprozess ohne chemische Hilfsmittel und Zusatzstoffe. Gefertigt werden die Jacken in Tschechien in einer kleinen Lohnnäherei, die auf die Verarbeitung von Walk und Strick spezialisiert ist. Der langjährige und persönliche Kontakt zu den Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, ist mir sehr wichtig.

Südstern: Könnten Sie sich vorstellen irgendwann einmal nach Südtirol zurückzukehren und ein eigenes Modegeschäft zu eröffnen?
Anne-Rose Conzelmann: Ein- bis zweimal im Jahr verbringe ich mit meiner Familie ein paar Tage in Dorf Tirol. Südtirol ist natürlich wunderschön, aber mein Lebensumfeld ist mittlerweile in Stuttgart. Doch meine Walkjacken würde ich gerne auch in Südtiroler Geschäften verkaufen. Sobald meine Kollektion 2013/14 fertig ist, werde ich meine Jacken auch bei  Händlern in Südtirol vorstellen. Mal schau’n, was sich ergibt.
Interview: Alexandra Hawlin

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