"Wir sind positiv überrascht, wie bunt gemischt jetzt schon das Publikum zuhause in Südtirol ist"

Sonntag, 20.09.2015

Die zwei Eppaner Brüder Johannes (links) und Alexander (rechts) De Zordo sind Gründer eines neuartigen sozialen Netzwerkes namens Gloqon. Im Südstern-Interview erzählt Alexander de Zordo, was es mit ihrem "glocal network" auf sich hat, welche Zukunftspläne die Brüder für Gloqon haben, und was seine Auslandserfahrungen für ihn bedeuten.

Ihr bezeichnet Gloqon als „glocal network“. Was ist darunter zu verstehen?

Wir verstehen darunter, dass die Plattform prinzipiell global einsetzbar ist, die Informationen sind allerdings immer nur lokal. Das heißt mit Standort München sehe ich ausschließlich Informationen aus München und mit Standort Bozen Informationen aus Bozen. 

Es funktioniert so, dass ein Nutzer seinen Standort und seinen Radius von Interesse eingibt und sofort per Klick alle Posts anderer User aus der Umgebung sieht. Die Reichweite eines Posts kann auch eingeschränkt werden, wenn die Information zum Beispiel nur für Personen innerhalb 5km relevant ist.


Was ist das Besondere an Gloqon im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken?

Im Vergleich zu klassischen sozialen Netzwerken sind Informationen ausschließlich lokal und nicht weltweit einsehbar. Je nach Standort erhält man daher absolut unterschiedliche Informationen. Es ist auch möglich, sich mit anderen Nutzern zu befreunden und sich so ausschließlich Posts von Freunden anzeigen zu lassen bzw. nur für Freunde zu posten. Allerdings gilt auch hier: Ich sehe den Post nur, wenn ich mich innerhalb dessen Reichweite befinde.

Wir wollen mit GLOQON eine Plattform bieten, die prinzipiell für jegliche Art von lokalen Bedürfnissen einsetzbar ist und den Austausch im realen Leben begünstigt: Egal ob gebrauchte Dinge zu verkaufen, Aktivitäten zu organisieren, Mitfahrgelegenheiten zu finden oder um Tipps von Personen aus der Umgebung zu erfragen. 

Außerdem ist es möglich, lokale Kategorien einzurichten, die man auch wiederum nur vor Ort sehen kann. Diese denken wir sind interessant für Hotels, Bars, Festivals, etc., die so ihren Gästen eine Möglichkeit bieten, sich untereinander auszutauschen und Informationen zu kommunizieren. Die lokalen Kategorien können sozusagen als digitales Gästebuch funktionieren. 


 


Wie sieht die Zielgruppe aus, die ihr mit Gloqon erreichen wollt?

Wir glauben, dass das Netzwerk einen Mehrwert durch alle Altersgruppen hindurch bietet. In unseren Marketingaktiviäten werden wir natürlich Schwerpunkte setzen, z.B. Studenten. Wir sind aber positiv überrascht, wie bunt gemischt jetzt schon das Publikum zuhause in Südtirol ist - quer durch alle Semester. Mittelfristig wollen wir das Angebot unter Expats auch verbreiten und hoffen daher auch auf Feedback von anderen Südsternen.


Womit beschäftigt ihr euch neben eurer Tätigkeit als Geschäftsführer von Gloqon?

Johannes hat für GLOQON im Januar seinen Job gekündigt. Er arbeitet als Programmierer hin und wieder an verschiedenen Projekten, um sich über Wasser zu halten. Ich hatte noch bis Juni einen Job. Dieses Wintersemester wollen wir nutzen, um möglichst viele Leute zu erreichen und konzentrieren uns daher nur auf unser Projekt. Wir hoffen, dass Hotels/Hostels und Bars/Restaurants die vorher genannte Idee von einem virtuellen Gästebuch in Form einer lokalen Kategorie attraktiv finden und wir damit bis auf weiteres unseren Lebensunterhalt bestreiten können. Außerdem suchen wir auch nach Investoren bzw. loten Möglichkeiten einer Crowdsourcing-Kampagne aus.


Mit Gloqon reiht ihr euch ein in die blühende Start-Up Szene. Was braucht ein Start-Up, um zu gelingen?

Wahrscheinlich ist es für uns zu früh diese Frage zu beantworten, da wir noch am absoluten Anfang stehen. Bis jetzt glauben wir, dass es eine feste Entschlossenheit braucht, das Projekt in Angriff zu nehmen und natürlich die Möglichkeit bzw. das Know-How, die Idee umzusetzen. Des weiteren ist sicherlich Geduld notwendig, die sich natürlich auch finanziell niederschlägt.

Wie sehen eure Zukunftspläne aus?

Im Oktober werden wir voraussichtlich in den App Stores verfügbar sein. Auf der Marketing-Seite werden wir uns natürlich von Region zu Region angeln, da wir eine bestimmte Anzahl an aktiven User brauchen, damit unser Konzept funktioniert. Wir wollen uns vorerst im deutschen Sprachraum etablieren. Wir sind jetzt bereits in mehreren Sprachen verfügbar und das Ziel ist es natürlich, uns stark zu internationalisieren.


Welche sozialen Netzwerke nutzt ihr selbst, und wofür?

Wir sind privat eigentlich nur auf Facebook (inkl. WhatsApp) wirklich aktiv. Man mag von Facebook halten, was man will, aber es ist hervorragend, um mit Personen aus aller Welt in Kontakt zu bleiben. Wir probieren neue Geschichten natürlich aus und sind daher auch auf Twitter, Instagram usw. zu finden. Aktiv verwenden wir diese allerdings fast nur für GLOQON.


Du hast in Österreich, Spanien, Dänemark und Brasilien studiert, warst für längere Zeit in England und Australien und in den USA. Was hat dich an den jeweiligen lokalen Mentalitäten besonders fasziniert?

Jedes Land hat seine Eigenheiten und wenn man lange genug dort wohnt, dann erkennt man diese auch und das prägt einen sicherlich auch.

England: Pub-Kultur. Nach der Arbeit geht es für ein paar Pints ins Pub. Bestellt wird nie für sich alleine.

Österreich: Dialekte. Jeder spricht seinen eigenen Dialekt, egal mit wem - Hochdeutsch nur in Ausnahmefällen.

Spanien: "No pasa nada". Das Leben findet auf der Straße statt. Man arbeitet, um zu leben. Gegessen wird erst spät und gefeiert bis früh am Morgen. Während der Siesta sind die Straßen wie leergefegt.

Brasilien: Gegensätze. Auf der einen Seite Leute, die sich am Strand sonnen, ein paar Meter weiter bittere Armut. Faszinierend ist das politische Engagement der Bevölkerung, sich zu einem Sozialstaat zu entwickeln.

Australien: Distanzen, BBQs und "how's it going mate?". Für Stunden zum nächsten Ort fahren ist normal, das nächste BBQ ist dabei nie weit entfernt. Natürlich auch eine sehr relaxte Lebensweise und mit allen ist man "mate" - sogar mit dem Polizist, der einem das Auto abgeschleppt hat.

Dänemark: Gesellschaft. Jede Person ist gleichwertig, egal ob Kellner oder Arzt. Statussymbole wie teure Autos gibt es so gut wie nicht. Die Bevölkerung ist sich über die Gegenleistungen des Staates bewusst. Dänen sind freundlich, trinkfreudig und dann auch sehr offen.

USA: Progressivität. Im Land entstehen immerzu neue Ideen, da die Menschen ständig ihre Lebensbereiche weiterentwickeln wollen, während wir uns in Europa schneller mit einer Lösung zufrieden geben.


Was verbindet euch mit Südtirol?

Wir sind gerne in unserer Heimat, um genau diese Dinge zu genießen, die man im Ausland oft vermisst. Dazu zählen wir in erster Linie Familie, Stabilität und gutes Essen. Was unser Land landschaftlich bietet, sucht man im Ausland auch meist vergebens - touristisch haben wir auch international bestes Potenzial. Wir finden, dass wir Südtiroler einen sehr guten Spagat zwischen Gründlichkeit und Pragmatismus schaffen.


Woran fehlt es Südtirol eurer Meinung nach?

Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge:

  • Flächendeckendes Highspeed Internet
  • Eine gesunde Abwechslung der politischen Machtverhältnisse
  • Mutige Entscheidungen der Politik
  • Internationalität der Arbeitsmöglichkeiten
  • Ein Einkaufszentrum


Redaktion: Verena Platzgummer

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