„Das war meine Chance“

Samstag, 21.03.2020
Schon vor über einer Woche hat das Berliner Start-up-Unternehmen i2x auf Homeworking umgestellt. Nun beobachtet Magdalena Pohl, wie sich in Deutschland mit einigen Tagen Verzögerung wohl die ähnliche Situation wie in Italien einstellen wird. Seit drei Jahren lebt die gebürtige Vinschgerin und Futura-Preisträgerin in Berlin. In unserem Job-Protokoll erzählt die 27-Jährige, warum sie unbedingt Teil eines Start-ups sein wollte.

 

„Schon als kleines Kind wusste ich, dass ich einmal Unternehmerin werden will. Das ist mir wohl in die Wiege gelegt worden. Ich habe meinen Vater oft bei der Arbeit besucht und war davon inspiriert. Immer wenn ich dann an einer Telefonkabine vorbeispaziert bin, musste ich unbedingt meinen fiktiven Geschäftspartner anrufen. Das ist natürlich alles lange her, aber meine Neugierde wurde nie gestoppt und deshalb war mir eine umfassende Ausbildung schon immer wichtig. Ich besuchte das Sprachenlyzeum in Schlanders und das Konservatorium in Bozen, daneben belegte ich eine Reihe außerschulischer Aktivitäten. Noch während der Oberschulzeit ging ich für ein Semester nach Australien.  

Meinen Horizont zu erweitern war mir wichtig. Wir wachsen in Südtirol sehr geschützt auf, was durchaus seine Vorteile hat, aber ich wollte auch andere Kulturen kennenlernen und Neues sehen. Nach der Oberschule habe ich an der Bocconi in Mailand meinen Bachelor in Economia Aziendale & Gestione delle Imprese gemacht. Auch da habe ich die Zeit für ein Auslandssemester genutzt: Dieses Mal zog es mich nach China. Eine geniale Erfahrung, in einem Land zu leben, das so grundsätzlich anders ist. 

Generell habe ich mir immer abwechslungsreiche Städte für meinen Lebenslauf ausgesucht. Nach Abschluss des Studiums habe ich in der Zentrale für CEE (Central & Eastern Europe) von BMW im Einkauf angefangen. Konzerne bieten jungen Menschen tolle Möglichkeiten in die Arbeitswelt einzusteigen. Zunächst zögerte ich aber, nach Salzburg zu gehen. Einmal, fehlte mir der unmittelbare Bezug zum Produkt. Aber mehr als das fragte ich mich, ob ich nicht in einer zu alten Schule landen würde: Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter lag damals bei Mitte 40 und 70 Prozent davon waren männlich. Das Gegenteil war der Fall: Mein Team war zwar ausschließlich männlich, dafür waren meine Kollegen sehr innovativ. Ich habe viel Freiraum bekommen und konnte immer mehr in den unternehmerischen Aspekt der Arbeit eintauchen. Dafür gehört für mich eigenständig zu arbeiten und Initiativen nicht nur zu ergreifen, sondern umzusetzen. 

Beim BWL-Studium werden Studenten meist zu perfekten Mitarbeitern ausgebildet. Meine Studienkollegen aus Mailand arbeiten heute Großteils für Top-Unternehmen, wie beispielsweise Unilever, Google oder L‘Oreal. Der Bachelor war eine gute Schule, und doch wollte ich für mich noch einen Schritt weitergehen. So beschloss ich nach meiner Erfahrung bei BMW, einen Master an einer Partner-Uni der Bocconi anzuhängen. Die ESADE (Escuela superior de administracion y direccion) Universität in Barcelona bietet als eine der wenigen in Europa einen Kurs in Innovations- und Unternehmertum. Der Masterstudiengang ist sehr praxisbezogen und hat mich in die Welt der Start-ups eingeführt. Meine Mit-Studenten kamen aus der ganzen Welt und hatten interdisziplinäre Backgrounds, aber das gleiche Ziel: irgendwann ihr eigenes Unternehmen zu gründen. 

In der Zeit habe ich Michael Brehm kennengelernt. Unser Studiendirektor in Barcelona hat uns mit Unternehmern aus der ganzen Welt zusammengebracht. Unser Master war speziell auf die Frage fokussiert: Wie gründe und skaliere ich ein erfolgreiches Unternehmen? Wer hätte besser davon erzählen können als Brehm? Er ist Gründer von StudiVZ, im Übrigen eines seiner ersten Exits, das er für 85 Millionen Euro verkauft hat. Darauf folgten immer größere Exits und sein eigener VC-Fond. 

Das war meine Chance. Denn als junger Mensch in einem qualitativ hochwertigen Start-up anfangen zu können, ist sehr schwierig. Ich denke, dass heute viele Menschen eine romantisierte Vorstellung von der Arbeit in einem Start-up haben. Dabei wird oft vergessen, dass es am Ende ein Kampf ums Überleben ist. 90% aller Start-ups scheitern und Statistik lügt nicht. Ein Start-up ist von Anfang an auf Risikokapital angewiesen. Man startet im Minus und muss schnell Ergebnisse liefern. 

Wie viele Unternehmer schrieb Brehm eine klassische Business-Challenge an der ESADE aus. Ich nahm daran Teil, und wir waren sofort ein gutes Team. Daraufhin erzählte er mir von seiner neuen Start-up-Idee und fragte, ob ich Lust hätte, an Bord zu kommen. Und wie ich Lust hatte: Ich war vor allem auf der Suche nach einem Early-Stage-Start-up, wo noch keine Finanzierung besteht. So landete ich in der Start-up-Metropole Berlin.

i2x analysiert Telefonate mit Hilfe von Machine-Learning und unterstützt Call-Center-Agenten automatisch, erfolgreich mit Kunden kommunizieren zu können. Heutzutage ist es üblich, dass Firmen auf verschiedenen Kanälen mit Kunden kommunizieren. Das Telefon ist nur ein Beispiel. Was passiert mit meiner Hotelbuchung, das ist eine Frage, die jetzt in der Corona-Krise vermehrt auftauchen könnte. Wir bieten Lösungen an, wie die telefonische Kundenkommunikation durch Software optimiert werden kann. Im schlechtesten Fall verfügt ein Unternehmen nämlich über Millionen von Audiodateien, ist aber nicht in der Lage, diese schnell zu analysieren. Am Ende weiß niemand, warum Kunden anrufen. Wir können Audio-Dateien nicht nur in Echtzeit, sondern skalierbar analysieren. Was war die Gesprächsdynamik? Hat der Berater die richtigen Informationen rübergebracht? Wurde das Problem des Kunden gelöst? Auf der anderen Seite haben wir den direkten Zugang zum Kundenberater, den wir mit schnellen Tipps im Gespräch unterstützen. 

Im Unternehmen nehme ich eine strategische Rolle ein und trage die Verantwortung rund um das Thema Expansion. Meine Rolle gibt mir große Entscheidungsfreiheit für strategische Projekte. Michael Brehm ist der Visionär und gemeinsam mit dem Leadership Team sorgen wir dafür, dass unsere Strategie eingehalten und implementiert wird. Unternehmerin bin ich noch nicht. Aber das, was ich jetzt mache, kommt dem schon ziemlich nahe.”

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