Der rote Faden: Ihr unternehmerisches Denken

Donnerstag, 10.09.2020
Seit März war Nur El Shami erst zwei Mal in New York. Ihren Job als Director of Strategic Operations bei der New York Times übt die 34-Jährige vom eineinhalb Autostunden entfernten Homeoffice aus. Das war eine Umstellung, aber Veränderung treibt die gebürtige Meranerin seit jeher an. Sie arbeitete im Produktionsmanagement großer Modemarken, gründete ihre eigene Onlineplattform für zeitgenössische Kunst und war Beraterin für Consultingprojekte. Und jetzt also die große New York Times… El Shami ist eine von vier Speakern beim diesjährigen Südstern Business Talk. Warum ihre Abteilung die gesteckten Ziele durch Corona schneller erreichen wird und wie die Situation aktuell in New York ist, darüber haben wir uns mit ihr vorab unterhalten.

 

Seit Corona ist unsere Welt mehr vernetzt als je zuvor. Wie wichtig ist für Sie ständige Erreichbarkeit?

Sie ist absolut notwendig. Niemand in meiner Firma oder meiner Abteilung könnte ohne Vernetzung der Arbeit nachgehen. Ganz am Anfang des Lockdowns war es sehr wichtig, ständig in Kontakt zu sein und mehr zu kommunizieren als je zuvor. Da sind wir alle quasi in eine Überkommunikation gewechselt, weil es sich erst einspielen musste. Diese Zeit hat auch dazu geführt, dass wir verstanden haben, in welchen Bereichen wir effizient waren und in welchen wir es besser machen können. Und ganz allgemein: Die Pandemie hat uns auf menschlicher und politischer Ebene gezeigt, welche Strukturen funktionieren und welche nicht. Und es hat alles beschleunigt. 

 

Inwiefern?

Wir haben in der Firma natürlich schon vor Corona eine Strategie verfolgt. Jetzt treibt es uns an, noch schneller dorthin zu kommen. Wichtige Entscheidungen, etwa, wie wir wachsen, wie wir Innovation erreichen wollen oder uns transformieren, werden viel schneller getroffen. Die Flexibilität ist enorm gewachsen, weil sie musste. 

 

Was macht ein Director of Strategic Operations bei der New York Times in seiner täglichen Arbeit? 

Ich arbeite in der Werbeabteilung der New York Times zusammen mit 450 Mitarbeiter*innen. Die meisten sitzen in New York und Amerika, viele auch in Europa und anderen Ländern der Welt. Meine Aufgabe ist, sicherzustellen, dass die ganze Struktur der Abteilung sehr effizient abläuft. Eine Abteilung ist wie ein kleines Ökosystem. Ich schaue, dass die verschiedenen Teams miteinander kommunizieren, dass jeder weiß, was seine Prioritäten sind, was unser Businessmodell ist und vor allem: dass alle wissen, woran die anderen arbeiten und nicht jeder in seinem kleinen Mikrokosmos lebt. Nur so kann Innovation passieren. Im Grunde genommen bin ich auch ein bisschen wie eine Therapeutin, denn alle Mitarbeiter müssen mir vertrauen und sagen, was funktioniert und was nicht. 

 

Sie sind seit 11. März im Homeoffice. Eine gute Erfahrung? 

Wir werden bis mindestens Januar nicht in die Büros zurückkehren, das steht bereits fest.  Was dann kommt, wissen wir noch nicht. Viele große Firmen wie Google und Spotify haben gerade verkündet, dass sie bis Juni und Juli 2021 im Homeoffice bleiben werden. Wir haben unsere Art zu arbeiten komplett überdenken müssen. Es ging dabei viel um die Frage der Kommunikation. Welche Teammeetings planen wir? Welche sind relevant? Wie häufig kommunizieren wir? Wir benutzen hauptsächlich Slack, eine Firmen-Messaging-Plattform, in der man in reeller Zeit kommunizieren kann. Das funktioniert gut für schnellen Austausch. Dann gibt es natürlich Mails und Meetings. Vieles hat sich positiv entwickelt, weil man weniger Zeit verliert. Die Produktivität der Firma liegt bei fast 90 Prozent, das ist wahnsinnig hoch. Aber es ist nicht alles nur positiv. Nicht jeder hat zu Hause die Möglichkeit, sich voll und ganz auf die Arbeit zu konzentrieren. Viele haben Kinder und keine Betreuung. Andere leben in einer kleinen Wohnung mitten in der Stadt, oft zusammen mit Mitbewohnern, auch das kann sehr intensiv sein. Man muss einkalkulieren, dass es die Leute nicht leicht haben. Wie sich diese neue digitale Realität auf unsere Kultur auswirken wird, bleibt noch zu sehen.

Wie ist die Situation aktuell in New York?

Nicht so gut, leider. Ich bin im März mit meiner Familie in unser Landhaus gezogen und seither erst zwei Mal in der Stadt gewesen. Es gibt Teile New Yorks, in denen die Lage tragisch ist: So viele kleine Unternehmen mussten schließen, weil sie dem wirtschaftlichen Druck der Pandemie nicht standhalten konnten. Einige Freunde von mir sind zurück nach Europa gezogen, weil sie ihren Job verloren haben oder mit der Familie nicht länger in der Stadt bleiben wollten. Ich habe keinen Zweifel, dass New York wieder zu sich finden wird, aber das wird dauern und vor allem braucht es dafür einen Impfstoff.  

 

Die Lage in Amerika ist auch deshalb eine besondere, weil in drei Monaten der nächste US-Präsident gewählt wird?

Es ist ein historischer Moment in der Welt und vor allem in Amerika. Die nächsten Monate werden sehr intensiv. 

 

Für den klassischen Journalismus waren die vergangenen Jahre nicht leicht.

Seid Donald Trump Präsident ist, ist die Zahl der Abonnenten bei der New York Times in die Höhe geschnellt. Die Menschen haben das Bedürfnis nach guter Information. In der Hochphase der Pandemie hatten wir so viel Traffic auf der Seite wie niemals zuvor. Eine Zeitlang war der Zugang zur Seite für die Corona-Berichterstattung öffentlich. Die ganze Welt war auf der Suche nach Publikationen, denen man Vertrauen kann. Die NY Times ist nach wie vor die Nummer eins für Top-Journalismus, jetzt noch mehr als sonst.  

 

Von der Modewelt zur Kunst, das klingt irgendwie schlüssig. Aber der Wechsel ins Verlagswesen, das überrascht. Gibt es ein verbindendes Element zwischen diesen unterschiedlichen Welten?

Der rote Faden, der sich durch alles zieht, ist mein unternehmerisches Denken. Mir hat immer gefallen, zu verstehen, wie ich von A nach B komme. In der Mode habe ich im Bereich Produktentwicklung und Herstellung angefangen. Auch da musst du wissen, wie du zum Endprodukt kommst. Das gilt auch für meine Firma, die ich in der Kunstwelt hatte. Als ich die Plattform kreiert hatte, mussten wir uns überlegen, welche Künstler wir auswählen, welche Events wir organisieren und welche Technologien uns dabei helfen können. Und auch jetzt geht es in meiner Arbeit wieder um die Frage, wie ich von einem Punkt zum nächsten komme. Auch wenn es eine andere Industrie ist: Es geht um das Schaffen eines großen Ganzen. 

 

London, Paris, Mailand, jetzt New York: Waren Sie schon immer eine Stadtbummlerin?

Ich war immer schon neugierig, was andere Kulturen betrifft und wollte Neues lernen. Obwohl ich in Meran geboren und aufgewachsen bin und total integriert war, bin ich mit meinem Namen aufgefallen und war auch immer ein bisschen die Fremde. Das hat mir auch gefallen. Ich denke, dieses Gefühl habe ich immer gesucht, als ich nach Mailand, Paris und London bin. Von London aus nach New York zu gehen, das war irgendwie eine natürliche Entwicklung, die Sinn gemacht hat. Dann habe ich meinen Mann kennengelernt und der Rest ist Geschichte. 

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