In 80 Ländern dieser Welt

Mittwoch, 01.02.2023
Jeder sollte einmal im Leben die Möglichkeit haben, wegzugehen und eine andere Perspektive einzunehmen – das ist ihre Mission. Als Relocation-Coach hilft sie Familien, die vielfältigen Herausforderungen eines Umzugs in ein neues Land zu händeln. Damit hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht: reisen. Im Job-Protokoll erzählt Doris Dario, warum sie alle paar Jahre mit ihrer Familie in ein neues Land zieht und warum Südsterne ihre Heimat besonders schätzen.

 

 

„Weg von Zuhause – das fing bei mir früh an. Ich bin ursprünglich aus Kastelruth und habe die Oberschule in Meran besucht. Erste Sommerjobs führten mich weg von Südtirol, an den Gardasee oder als Animateurin auf Mallorca. Sprachen interessierten mich schon immer, deshalb beschloss ich dann, als Au-pair-Mädchen in Südfrankreich Französisch zu lernen, ein halbes Jahr in London in der Gastronomie zu arbeiten und schließlich ein Dolmetscherstudium In Bologna abzulegen. Durch Erasmus kam ich dann nach England. Da hat sich eine Welt aufgetan. Auch, weil ich dort meinen heutigen Mann kennengelernt habe. Er ist Spanier und wir hatten ein gemeinsames Ziel: Wir wollten beide die Welt entdecken. Wir sind viel herumgekommen, zuerst haben wir Arbeitserfahrungen in Berlin, Hamburg und Frankfurt gesammelt und anschließend sind wir ein Jahr lang mit dem Wohnmobil durch Australien gefahren. Von dort aus haben wir auch online gearbeitet – wir waren wohl damals schon so etwas wie digitale Nomaden, lange bevor der Begriff salonfähig wurde. Die Arbeiten mussten wir noch in Internet-Cafes hochladen…

Dann ging es über Südostasien wieder zurück nach England, wo ich noch einen BA in Englisch und Spanisch drangehängt habe. Und dann erfüllten wir unseren Traum: den gesamten amerikanischen Kontinent von Patagonien bis Alaska in einem Jahr zu durchqueren. Ein einmaliges Eintauchen in die Sprache, Landschaft und Kultur der 20 Länder entlang der Reise. 

Nach dieser Traumreise legte ich den Fokus auf die Karriere bei einer Marketingagentur in London. Meine Aufgabengebiete waren zuerst Projektleitung, dann Account- und Talent-Management. Nach fünf Jahren und dem zweiten Kind beschlossen wir, nach Malaga zu ziehen, wo mein Mann aufgewachsen ist. Er ist Informatiker. Von dort aus konnte ich weiter für meinen Londoner Arbeitgeber tätig sein. Parallel kam unser drittes Kind und der Hausbau. In dieser Zeit gründete ich auch den Südstern-Planeten Spanien, wobei ich leider weg vom Schuss lag, denn die meisten Südsterne lebten schon damals hauptsächlich in Madrid und Barcelona. 

 

 

Fünf Jahre lang genossen wir das sonnige Leben in Spanien und dann kam wieder dieses Gefühl und die Lust, etwas Neues kennenzulernen. Die Wahl fiel auf einen Ort, der ganz anders ist, ein hidden gem: Belfast. Das war ein Gegenpol zu Südspanien. Unsere Kinder besuchten dort die lokale Schule und lernten schnell die Sprache mit dem wunderschönen, nordirischen Akzent. Wir sind komplett eingetaucht in dieses Leben. Im wahrsten Sinne: Mein Mann ist begeisterter Surfer.   

Erst im Nachhinein habe ich verstanden, dass mich Orte anziehen, die etwas mit Grenzen zu tun haben. Das hängt vielleicht mit meiner Herkunft zusammen. Nordirland mit seinem jahrzehntelang schwelenden Konflikt war in diesem Sinne natürlich extrem. Jeder dort hat den Nordirlandkonflikt hautnah erlebt und kannte jemanden, der im Konflikt getötet worden war. Daher wissen die Menschen dort den Frieden heute hoch zu schätzen. Es tut sich viel in der Stadt, kulturell und wirtschaftlich, und die Entwicklung ist enorm. 

Nach zwei wundersamen Jahren auf der grünen Insel hatten wir Lust auf Mitteleuropa. Kurz stand auch Katar zur Diskussion, aber als Familie haben wir uns dann doch für die Schweiz entschieden. Also ging es drei Jahre nach Zürich. Inzwischen leben wir nun in Lugano. In der italienischen Schweiz spielt das Thema Grenze wieder eine Rolle – hier geht es vor allem um Sprache. Apropos Sprache: Die Schweiz ist ein Kompromiss, vielleicht auch eine Annäherung an daheim. Mir war wichtig, dass unsere Kinder neben Spanisch und Englisch auch Deutsch und Italienisch lernen. Irgendwann können wir uns vielleicht vorstellen, nach Südtirol zu ziehen. Aber noch wäre es für uns nicht der richtige Zeitpunkt. 

Unsere Kinder sind mittlerweile 10, 12 und 15 Jahre alt. Es wird auch für sie schwieriger, umzuziehen. Die Entscheidung dazu treffen wir aber immer gemeinsam. Am Ende muss jeder sagen: Das machen wir. 

Geografisch hat sich bei uns in all den Jahren viel verändert. Dafür war ich beruflich sehr stabil und bin 15 Jahre bei der gleichen Marketingfirma geblieben. Vor zwei Jahren hatte ich dann so etwas wie eine Identitätskrise. Ich fragte mich, wie ich mich beruflich weiterentwickeln möchte. 

 

 

Und dann beschloss ich, mich meiner Leidenschaft, dem Reisen zu widmen. Ich war in meinem Leben in 80 Ländern, bin sehr oft umgezogen – warum nicht diese vielseitige Erfahrung an andere Menschen weitergeben? Also habe ich mich selbstständig gemacht und widme mich heute nach einer Coaching-Ausbildung dem Relocation- und Reise-Coaching. Ich helfe anderen, vor allem Familien, sich auf einen Neustart im Ausland oder eine größere Reise vorzubereiten. Ich kümmere mich hierbei allerdings nicht um die Logistik, sondern unterstütze Arbeitnehmer und deren Familien, ihr neues Leben zu entwickeln und begleite sie in dieser herausfordernden Zeit nach dem Motto: Ein Neuanfang darf auch Spaß machen. In diesem Zuge arbeite ich auch zusammen mit HR-Abteilungen globaler Firmen bei der Relocation ihrer Mitarbeiter.

Meine Verbindung zu Südtirol ist weiter stark. Zweimal im Jahr versuchen wir, Zeit dort zu verbringen. Es ist der Ort, an dem ich aufladen kann. Das Direkte, das Bodenständige der Menschen schätze ich sehr. Ich fühle mich hier verstanden. Ich bin auch zur Geburt jedes unserer Kinder zurück nach Südtirol, aber dann hat es uns immer wieder weggezogen. Vielleicht ist es gewissermaßen eine Hassliebe, die mich mit meiner Heimat verbindet? Das gefällt mir an Südstern ja so gut. Da sind Leute dabei, die aus einem bestimmten Grund weggegangen sind, aber ihre Heimat zugleich besonders wertschätzen. 

Meine Mission? Jeder sollte im Leben mindestens einmal weg von daheim leben, um eine neue Perspektive einzunehmen, sich neu mit der Heimat zu identifizieren und eine engere Bindung mit dem Partner und der Familie einzugehen. Oft höre ich: Ja, du hast es leicht. Aber im Grunde hat es jeder leicht, oft genügt wirklich nur ein erster kleiner Schritt. Und es muss ja nicht für immer sein. Wegzugehen kann auch helfen, zu verstehen: Was ist wichtig für mich? Und was brauche ich eigentlich im Leben, um glücklich zu sein?”

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