„Bewegt euch aus der Komfortzone hinaus!“

Sonntag, 30.06.2013

Der Chemiemanager Robert Alber arbeitet für einen der weltgrößten Konzerne der Branche: DuPont. Seit einem Jahr ist der Rittner nun Country Manager für Polen und wohnt in Warschau. Im Interview erzählt er von den Vorteilen Polens, seinen Erfahrungen mit Six Sigma und den neuen Herausforderungen im Bereich Ernährung.

 

 

 

Sie haben zuletzt in der Schweiz gearbeitet und sind nun seit einem knappen Jahr Country Manager in Polen. Worin unterscheiden sich die zwei Länder und wie macht sich das bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit bemerkbar?

Beides sind wirtschaftlich gesehen zwei interessante Länder, aber auf sehr unterschiedliche Weise. Die Schweiz ist ein hochentwickeltes und reiches Land und ‚funktioniert‘ beinahe perfekt. Regeln sind weitgehend bekannt und respektiert. Polen hat nach dem Mauerfall eine rasante Entwicklung durchlebt. Die moderne wirtschaftliche Geschichte des Landes begann 1990. Einige Wirtschaftsbereiche sind bereits auf westlichen Standards angelangt, andere haben noch viel Luft nach oben. Die wirtschaftliche Dynamik in Polen schafft Voraussetzungen fϋr gute Investitionen, birgt aber auch hӧhere Risiken in sich. Die Schweiz ist hingegen ein hervorragender Wirtschaftsstandort fϋr internationale Konzerne, der Binnenmarkt an und fϋr sich ist jedoch relativ klein.

 

Was zeichnet Warschau als Wirtschaftsstandort aus? Warum investiert DuPont in Polen?

DuPont hat sofort nach dem Mauerfall stark in Polen investiert. Es ist klar ersichtlich, dass die ‚Pioniere‘ dieser Strategie heute besser im Markt positioniert sind. Polen ist seit 2004 in der EU und profitiert sehr stark von deren Förderungen. Es ist das einzige EU-Land, das die letzte Finanzkrise ohne ein einziges Jahr Negativwachstum überstanden hat. Der EU-Beitritt hat enorme Vorteile mit sich gebracht und Voraussetzungen fϋr solide Investitionen geschaffen. Das Wachstumspotential ist dabei noch größer als in Westeuropa. Warschau ist eine pulsierende Stadt und verändert sich stetig. Die Infrastrukturen sind heute beinahe auf westlichem Standard, die Lebenshaltungskosten trotzdem noch wesentlich niedriger als in anderen EU-Hauptstädten.

 

DuPont gehört zu den weltgrößten Chemiekonzernen; die CEO von DuPont, Ellen Kullman, belegte vor einigen Jahren auf der Forbes-Liste der einflussreichsten Frauen der Welt den 7. Platz. Wie haben Sie es geschafft, in einen so großen Konzern einzusteigen?

Ich bin durch Zufall auf DuPont gestoβen. Ich hatte gerade mein Studium abgeschlossen und war auf der Suche nach einer herausfordenden Tätigkeit. Durch einen Freund hatte ich erfahren, dass DuPont eine offene Stelle hat, die auf mein Profil passte. Ich hab mich beworben und es hat geklappt.

 

DuPont mischt auch stark im Saatgut-Markt mit. Wohin entwickelt sich dieser Markt, der zurzeit in Europa (wegen der Patentierung genetisch veränderter Pflanzenarten) stark im öffentlichen Interesse steht?

Der Saatgut-Markt ist ein stark wachsender Markt. Nach Schätzungen der FAO muss die Lebensmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent steigen. Die Weltbevӧlkerung wird bis dahin auf schätzungsweise neun Milliarden angestiegen sein und viele Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern werden sich voraussichtlich besser ernähren können. Die globale Verfügbarkeit von wichtigen Ressourcen in der Landwirtschaft, z. B. Ackerland und Wasser, ist begrenzt, was bedeutet, dass die Produktivität gesteigert werden muss. Besseres Saatgut, das sich z. B. für den Anbau in trockenen Gebieten eignet, wird eine sehr wichtige Rolle spielen, um die Nachfrage zu befriedigen und die Preise im Rahmen zu halten.

 

 

Sie haben sich intensiv mit dem Qualitätsmangement-Tool Six Sigma auseinandergesetzt. Einer der erfolgreichsten CEOs der letzten 30 Jahre, Jack Welch, ist bekennender Anhänger dieser Methode. Welche Vorteile hat Six Sigma – und gibt es auch Nachteile?

Six Sigma ist ein Qualitatsmanagement-Tool, welches DuPont in den letzten 15 Jahren seit seiner Einfϋhrung tiefgehend geprägt hat. Es eignet sich unter anderem hervorragend fϋr Projektmanagement in Marketing und Vertrieb, nicht nur in der Produktion, wo es eigentlich seinen Ursprung hat. Six Sigma ist verbunden mit Trainings und trägt daher auch wesentlich zur Fortbildung des Personals bei. Da es auf groβem Stil eingesetzt wird, wirkt es sich langfristig auch auf die Firmenkultur aus. Six Sigma erfordert Nachhaltigkeit, aber auch wesentliche Investitionen in Trainings und Fortbildung.

 

Sie haben in Bologna Agrarwissenschaften studiert. Inzwischen könnte man das auch in Bozen studieren. Würden Sie sich trotzdem noch einmal für Bologna als Studienort entscheiden?

Grundsätzlich  empfehle ich allen, angefangen bei meinen Kindern, sich aus der eigenen ‚Comfortzone‘ hinauszubewegen, das heißt, den Studienort nicht unbedingt in der Nähe des Heimatortes zu wählen.  Als ich mich vor ϋber 20 Jahren fϋr Bologna als Studienort entschieden habe, war das ein Schritt, der fϋr mich und meine Familie damals auch finanziell tragbar war. Heute wϋrde ich durchaus – z. B. einem Polen – empfehlen, in Bozen Agrarwirtschaft zu studieren.

 

Sie haben in vielen verschiedenen Städten gewohnt. Wo ist Ihre Heimat? Welchen Bezug zu Südtirol vermitteln Sie Ihren Kindern?

Heute ist meine Heimat dort, wo meine Familie ist – und fragt man mich, wo die Heimat meiner Familie ist, dann lautet die Antwort ganz klar Sϋdtirol. Meine Frau und ich sind gefühlsmäßig sehr stark in Sϋdtirol verwurzelt, da wir Kindheit und Jugend dort verbracht haben. Im Ausland wird unser ‚Rittnerisch‘ als eigenartig empfunden, während wir uns in Südtirol dadurch der Heimat verbunden fühlen.

 

Gibt es etwas, das Sie an Südtirol vermissen? Wie oft kommen Sie dorthin zurück?

Je ӧfter man umzieht und je länger man von Sϋdtirol weg ist, desto mehr lernt man die Vorzϋge zu schätzen. Wer in Sϋdtirol lebt, ist in vieler Hinsicht privilegiert. Ich vermisse Land und Leute, das einmalige Klima, manchmal das soziale Dorfleben. Wir fahren regelmäßig nach Sϋdtirol und verbringen da so viel Zeit wie mӧglich; das heißt konkret Weihnachten, Ostern und die Sommerferien.

 

 

Ihr Lieblingszitat ist: „Tradition ist eine Laterne – der Dumme hält sich an ihr fest, dem Klugen leuchtet sie den Weg.“ (George Bernard Shaw) Wie hat Ihnen Tradition den Weg geleuchtet?

Uns Sϋdtirolern werden sehr viel Tradition und Werte vermittelt. Einige wurden zu Fixpunkten in meinem Leben und sind fϋr mich ein Leuchtturm, wenn ich durch das Ungewisse reise. Der kontinuierliche Gedankenaustausch bei Familienfesten, die wir in Sϋdtirol mit meinen Eltern und Schwiegereltern feiern, ist zum Beispiel fϋr mich eine Laterne auf meiner Reise.

 

Was lieben, was hassen Sie am Südtiroler in Ihnen?

Ich glaube der Südtiroler in mir ist zielstrebig und durchsetzungsfähig. Standhaftigkeit und Pragmatik zeichnen ihn ebenso aus. Ich bin sehr werte- und naturverbunden. Diese positiven Eigenschaften kӧnnen manchmal auch ins Negative umschlagen, wenn sie zu stark in den Vordergrund treten: ‚sturnig‘ oder mit dem Kopf durch die Wand kann das Ergebnis sein. In der sich schnell verändernden Welt stößt meine Flexibilität auch mal an ihre Grenzen, obwohl ich sehr daran gearbeitet habe, dynamisch zu sein.

 

 

Interview: Tobias Lechner

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