„Gründer machen systematisch dieselben Fehler, deshalb haben wir eine Methode entwickelt“

Donnerstag, 30.06.2016

Schritt für Schritt zum eigenen Unternehmen. Stefan Perkmann Berger lehrt am Institut für Entrepreneurship und Innovation an der Wirtschaftsuniversität Wien. Vor drei Jahren hat der 31-Jährige sein eigenes Unternehmen gegründet, mit dem er Startups hilft, erfolgreich zu werden. Worauf kommt es bei der Gründung an, welche sind die typischen Fehler und was können sich etablierte Unternehmen von Startups abschauen? Das erzählt uns der gebürtige Meraner im Interview. 


Nach dem Abschluss seines Studiums war für Stefan Perkmann Berger klar, dass er kein Angestellter in irgendeinem großen Unternehmen sein möchte. Das Angebot von Procter & Gamble lehnte er ab, um sein Doktorat an der Wirtschaftsuniversität Wien zu machen. Heute ist der 31-Jährige Geschäftsführer seines eigenen Unternehmens und lehrt an verschiedenen Universitäten wie der Wirtschaftsuniversität Wien, der FH Wien der WKW und dem MCI in Innsbruck. Wir treffen ihn zum Interview am Uni-Campus, gleich im Anschluss an seine Lehrveranstaltung „Entrepreneurship Camp“.  

Ermutigen Sie die Studierenden Ihrer Lehrveranstaltung, sich gegen eine klassische Karriere in einem großen Unternehmen zu entscheiden und gleich ihr eigenes zu gründen?

Das muss jede und jeder für sich entscheiden. Nach dem Abschluss ist es oft schwer, die richtige Karriere zu finden, denn wir wissen oft gar nicht, was wir wollen, was uns interessiert und wer wir überhaupt sind. Das Wichtigste im Leben – vor allem nach dem Studium – ist es deshalb, die eigene Identität zu finden. Selbstständig zu sein, kann eine Möglichkeit sein, herauszufinden, wer wir eigentlich sind.

Warum wissen so viele AbsolventInnen nicht, wohin es nach dem Studium gehen soll? 

Unser Schulsystem ist nicht darauf ausgelegt, dass wir zu Individuen werden. Auch die Universität hat Rahmen und Zwänge. Man will gute Noten schreiben, man vergleicht sich mit Freunden und auch, wenn die Eltern nicht explizit sagen „Kind, wann machst du endlich deinen Abschluss?“, so spüren doch die meisten, einen großen Druck. Wenn man dann nach der Universität gleich wieder in einen großen Apparat hineinmarschiert, dann ist man wieder Teil von Erwartungen und Regeln - man muss schon wieder irgendwo reinpassen. Ich sehe es bei meinen Studierenden, die brav in der Lehrveranstaltung sitzen. Die sagen selten „Hey, das sehe ich aber anders!“ - das würde ich mir wünschen. Es ist auch für Unternehmen wichtig, Personen zu finden, die Persönlichkeit haben. Leute, die revolutionär denken und inhaltlich topfit sind, sind gefragt. 

Sein eigenes Unternehmen zu gründen kann sehr befreiend sein. Man muss herausfinden, wer man ist und was man machen will und dann die Courage und den Mut entwickeln und sagen: „So bin ich und ich gestalte mein Umfeld genau so.“

Viele haben den Traum, ein eigenes Unternehmen zu gründen, aber noch keine konkrete Idee. Andere haben eine Idee, aber keine Ahnung, wie man es angehen soll. Können beide Typen erfolgreiche Gründer sein?

Es gibt Menschen, die unternehmerisch denken und es gibt Menschen, die gute Ideen haben – diese Ausgangspunkte sind zwar sehr unterschiedlich, aber dennoch valide. Das Unternehmer-Sein muss man als Reise verstehen. Wenn man einmal damit anfängt, kommt man nicht mehr davon weg. Für mich bedeutet es eine Lebenseinstellung. Man hat eine Leidenschaft, sucht die nötigen Ressourcen und versucht, die eigenen Visionen und Weltanschauungen zu visualisieren und realisieren. 

Wichtig ist auch, ein gutes Team zu finden. Denn ein Team ist die Voraussetzung, um die eigene Vision umzusetzen. Es muss aber wiederum eine starke Vision sein, um ein gutes Team anzuziehen. Für eine solche Vision, muss der angehende Gründer zuvor aber seine Passion kennen und wissen, wo seine Stärken liegen. 


Vorausgesetzt ich habe eine Idee, wie gehe ich dann vor? Sollte ich sie möglichst für mich behalten bis ich sie umgesetzt habe? 

Eine Idee hat per se noch keinen Wert. Jeder Mensch hat Ideen und viele Menschen haben die selben Ideen. Es ist wichtig, sich das bewusst zu machen. Die Idee ist anders, wenn man ihr einen anderen Charakter verleiht, andere Kunden hat. Es geht darum, die Idee umzusetzen. Ein guter Unternehmer ist ein guter „Umsetzer“. 

Natürlich kann die Idee gestohlen werden, denn, wenn man mit einer Idee erfolgreich ist, dann ist man wahrscheinlich sowieso in einem Markt, in dem es viele andere Initiativen gibt. Prinzipiell sollte man aber offen sein und einmal jedem von den eigenen Ideen erzählen. Es gibt extrem viele Formate, bei denen man seine Idee präsentieren kann, wie etwa „Startup Live“ oder das „Startup Weekend“, das auch in Bozen, Südtirol stattfindet. Dort bekommt man Feedback und hat auch die Möglichkeit, ein Team zu finden. Ich glaube, es gewinnt derjenige, der viel kommuniziert, seine Message hinausbringt und auf sich aufmerksam macht.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, die eigene Idee umzusetzen?

Jedes Unternehmen hat einmal irgendwo angefangen. Facebook startete als Seite für Campusmitglieder, Paypal als Verschlüsselungsservice für Palmpilots, aber auch Wikipedia und Groupon - sie alle haben einfach angefangen, etwas zu entwickeln. 

Am Anfang ist das Konzept vielleicht noch fehlerhaft und nicht ausgereift. Aber wenn man wartet, bis die Idee komplett ausgereift ist, wartet man ewig. Daher bin ich ein Fan davon, zu sagen: „Mach einmal irgendetwas - beginn einfach mal! Überleg dir einmal ein Problem und eine gute Lösung dazu!“ 

Das haben Sie gemacht und 2013 Ihr eigenes Unternehmen gegründet. Wie ist die Idee zu „WhatAVenture“ entstanden? 

Eines Tages kam ein Kollege in mein Büro an der WU und meinte, wir müssten den StudentInnen helfen, wie sie Unternehmen gründen können. Ich sagte: „Klar!“. Also haben wir einen Kurs aufgebaut, in dem Studierende im Team Projekte entworfen haben. Uns ist aufgefallen, dass sie dabei systematisch dieselben Fehler machen. Daraufhin haben wir eine Methode ausgearbeitet, um ihnen zu helfen. So hat alles angefangen!

Sie helfen also angehenden GründerInnen, ein Geschäftskonzept zu entwickeln – ein Startup für andere Startups? 

Nein, nicht ganz! WhatAVenture würde ich nicht als Start-up bezeichnen. Per definitionem ist ein Startup ein Unternehmen mit exponentiellem Wachstum und Ambitionen, einmal ein global agierendes System zu werden wie Apple oder Microsoft. Ich will nicht sagen, dass wir nicht auch global agieren wollen, aber dieses exponentielle Wachstum haben wir momentan noch nicht in unserem System. 

Wir bieten zwei Dinge an. Einerseits beraten wir etablierte Unternehmen, wie die Deutsche Bank oder Kapsch, wie deren Teams innovativ denken und neue Produkte entwickeln können. Dieser Teil ist sicherlich kein Startup. Die andere Seite vielleicht eher. Das ist eine Innovationsplattform, die Menschen hilft, aus einer Idee ein Konzept zu machen, das marktfähig ist. Denn viele haben eine Idee, aber stehen dann vor der Frage: Wie geht es weiter? Was mache ich damit? Wir schauen uns die ersten Schritte an, um eine Idee so zu verfeinern, dass ich ein Konzept vor potentiellen InvestorInnen präsentieren kann.

Wie genau helft ihr Teams beim Gründen? 

Wir versuchen aus den Projekten, die etwa vier bis sechs Monate laufen, das Beste herauszuholen. Wir fungieren dabei als Accelerator. Eine Software hilft dem Team strukturiert vorzugehen und einen klaren Prozess mit Teilschritten zu verfolgen. Dabei sieht ein Manager, wie das Team arbeitet und gibt Feedback. 

Was ist der erste Schritt auf dem Weg zum eigenen Unternehmen? 

Im ersten Schritt stelle ich mir die Frage: Gibt es überhaupt ein Bedürfnis für meine Idee? Ich muss überlegen, wer die Kunden sind, welche Bedürfnisse sie haben und welche Lösung ich anbieten kann. Dann wiederum muss ich mir überlegen, ob diese Lösung zu den Bedürfnissen passt. Dieser erste Schritt ist gleichzeitig auch der wichtigste! 

Was kann dabei schief laufen? 

Viele überspringen gerade diesen ersten Schritt und schauen nicht auf die Bedürfnisse der Kunden – das ist ein klassischer Fehler. Viele haben eine Idee und überlegen sich dann direkt eine Lösung. Obwohl es vielleicht gar kein Bedürfnis für diese Lösung gibt, entwickelt man eine gewisse „Stickiness". Man will nicht mehr von der Idee abweichen, weil man schon so viele Ressourcen investiert hat und beginnt ein Feature nach dem anderen zu bauen. Das Beste ist deshalb, vorher mit potenziellen Kunden zu reden, um herauszufinden, ob überhaupt ein Bedürfnis für die eigene Idee existiert. 

Hat bei Ihnen alles im ersten Anlauf geklappt? 

Ja, natürlich (lacht). Nein, natürlich nicht! Rückschläge gibt es ständig. Nach dem Universitätskurs haben wir genau den Fehler gemacht, uns sofort auf die Software zu stürzen. Wir haben ein halbes Jahr nur entwickelt – und Features gebaut. Dann haben wir die Initiative „Founders Battle" gestartet, bei der wir GründerInnen aus ganz Österreich zusammengebracht haben und unsere Software testen wollten. Dort haben wir gesehen, dass sie nicht funktioniert. Wir waren damals kurz davor, alles hinzuwerfen. Dann haben wir trotzdem weitergemacht und nochmal von Null angefangen. Durch unser eigenes Lernen haben wir unsere Methode weiterentwickelt und gemerkt, dass wir immer dann Fortschritte machten, wenn wir sie angewendet haben. Heute würde ich es natürlich ganz anders machen. 

Was raten Sie Gründern in der Anfangsphase der Entwicklung, um Rückschlägen vorzubeugen? 

Ich sollte mir zunächst überlegen, wie ich einen Prototyp bauen kann, mit dem ich testen kann, ob die Bedürfnisse dafür vorhanden sind, ohne bereits zu viele Ressourcen zu investieren. Mein Tipp: Zuerst mal alles auf dem Papier entwerfen und nicht gleich anfangen zu coden! So wurde zum Beispiel ein Offline-Kartendienst entwickelt – heute eine der erfolgreichsten Apps Österreichs. Wenn du zum Beispiel in Wien bist, kannst du dir die zehn coolsten Dinge anschauen. Aber zuerst wollten die Entwickler der App wissen: Was sind denn diese zehn coolsten Dinge? Der Stephansdom oder das geilste Schnitzel oder die coolste Bar? Sie hätten sich natürlich einen Algorithmus überlegen können und diesen dann so coden, aber das kostet viel Zeit und Geld. Stattdessen haben sie einfach selbst eine Liste geschrieben, diese auf der Straße verteilt und um Feedback gebeten. In diesem Moment hat der Gründer bereits ein reales Produkt angeboten. Es war vielleicht nicht so cool, nicht am Smartphone und nicht so „usable“, aber es war ein reales Produkt. Das war eine Möglichkeit, die Bedürfnisse mit den eigenen Erwartungen abzugleichen. 


Eine nächste Herausforderung für Gründer ist die Finanzierung. Was ist dabei wichtig? 

Die meisten sind viel zu sehr darauf konzentriert, den Investoren zu gefallen, statt darauf zu schauen, ob die Idee dem Markt gefällt. Natürlich muss ich Investoren ins Boot holen, aber der Investor ist der Zweck, nicht das Ziel. Die Kernfrage ist: Wie kann ich etwas derart Wertvolles für die Kunden produzieren, mit dem ich Geld verdienen kann? Dabei muss ich natürlich überlegen, wie sich das Produkt selbständig finanziert. Sonst passiert es wie im Fall von Twitter. Es wird viel Geld investiert, ohne dass der Kurznachrichtendienst sich selbst finanziert. 

Aber Twitter ist doch eine coole Idee und sie erfüllt auch ein Bedürfnis, oder nicht? 

Ein Projekt, das sich nicht selbst finanziert, ist nur eine tolle Idee und ein cooles Produkt. Was wir aber wollen, ist ein nachhaltig, wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen. Nachhaltig bedeutet, dass ich irgendwann unabhängig von Investoren bin und mich mit eigenen Mitteln finanzieren kann. 

Hängt der Erfolg eines Gründers auch vom Standort ab? Ist es etwa in Südtirol schwerer erfolgreich zu gründen als in Wien oder gar im Silicon Valley? 

Natürlich bringt mich ein Umfeld, in dem alle unternehmerisch denken, enorm weiter. Es hilft immer, wenn ich Gleichgesinnte treffe. Die, die einmal im Silicon Valley waren, sagen: Das muss man erlebt haben! Dort gibt es einen ganz anderen Zugang zum Unternehmertum, es herrscht ein völlig anderer Drive und man hat ganz andere Möglichkeiten. Es reicht aber auch, solche Hotspots in der Startup-Szene zu besuchen – man muss nicht unbedingt dort leben. 

Es ist auch branchenabhängig und es kommt darauf an, ob man ein Jungunternehmen oder ein wirkliches Start-up aufbauen will. In Südtirol werde ich wahrscheinlich erfolgreicher in der Apfelwirtschaft sein, als irgendwo anders. Dennoch glaube ich nicht, dass man unbedingt irgendwohin gehen muss, um erfolgreich zu sein. Ein guter Standort ist keine condicio sine qua non. Aber das Umfeld spielt natürlich eine Rolle. Ich glaube, es hängt vom Gründer selbst ab. 

Welche Einstellung muss ein Entrepreneur haben?

Das Unternehmer-Sein ist eine Reise – erst mit deiner dritten oder vierten Idee wirst du erfolgreich sein. Du wirst ein paar Mal Anlauf nehmen müssen, damit du den richtigen Spirit hast. Und du machst wiederum nur dann mehrere Anläufe, wenn du die richtige Haltung hast. 

Das klingt aufregend, aber Hand aufs Herz, wünschen Sie sich nie, als Angestellter für ein Unternehmen zu arbeiten und um 18 Uhr Feierabend zu haben? 

Eine Karriere in einem großen Unternehmen hat natürlich seine Vorteile. Wenn man sich jedoch einmal traut, etwas ganz anderes zu machen, auszubrechen, dann lernt man sich selbst kennen und man fokussiert sich auf das, was einem wirklich etwas bedeutet. Dabei lässt man sich auch viel weniger von Illusionen wie viel Geld, ein Haus, ein tolles Auto einfangen. Stattdessen habe ich ein Leben, das ich selbst einrichte und gestalte. 

Was können sich Unternehmen von Startups abschauen? 

Innovativ zu bleiben. Um erfolgreich zu sein, muss ich meine Mitarbeiter motivieren, neue Problemlösungen zu finden, aber auch die Kunden, die Crowd einbeziehen. Natürlich muss man auch Startups einbinden. Bei „WhatAVentrue“ nutzen wir diese Schnittstelle zwischen Startups und etablierten Unternehmen und versuchen beide zusammenzubringen. Ein Startup hat sehr begrenzte Ressourcen, ein Unternehmen wenig neue Ideen. Beide profitieren voneinander. Wir organisieren dafür zum Beispiel Events wie das „Pitch im Paternoster“. Dafür haben wir den alten Aufzug im Haus der Industrie in Wien verwendet, in die Kabinen Startup-Vertreter gesteckt und dann CEOs aus Österreich einsteigen lassen. Diese tauschen sich dann für knapp vier  Minuten aus und steigen dann in die nächste Kabine. 

Viele Unternehmen wie Facebook haben den Wert von Startups erkannt und kaufen diese für große Summen auf. 

Wegen der Leute in den Startups. Unternehmen wie Facebook sind bereit, Millionen dafür zu geben, damit sie Zugang zu den coolen Köpfen, den Ingenieuren haben und diese für sie arbeiten. Das ist ein regelrechter „war of talents“, ein Kampf um die besten Köpfe. 

Was würden Sie tun, wenn Facebook Ihnen heute ein Angebot machen würde? 

Ich würde zuerst wollen, dass es in mein Startup investiert. Erst wenn sie es kaufen, wäre ich im Boot (lacht). 

Interview: Alexandra Hawlin

Stefan Perkmann Berger, 31, aus Meran lebt seit acht Jahren im Ausland. Er studierte Internationale Wirtschaftswissenschaften an der Universität Innsbruck und absolvierte das Masterstudium  „Business and Managerial Economics“ an der Chulalongkorn Universität in Bangkok. Seine Dissertation schrieb er an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Thema „Exploring Knowledge Sharing Behavior in Face-to-Face Collaborative Events: The Role of Rewards as Incentives". 2013 gründete Perkmann Berger „WhatAVenture“. Das Unternehmen unterstützt angehende GründerInnen mit einer Online-Plattform, das eigene Geschäftskonzept zu entwickeln und berät etablierte Unternehmen bei Innovationsprozessen. Darüber hinaus ist er Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien, der FH Wien der WKW und dem MCI Innsbruck. 


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