Die Welt verstehen

Montag, 07.03.2022
Einfach nur wow: Südstern Hannes Pichler, 35, hat die höchste Auszeichnung für Nachwuchswissenschaftler bekommen, die es in Europa gibt. Der Quantenphysiker hat für seine Forschung über Quanten-Vielteilchenphysik und Quanteninformationsverarbeitung einen Starting Grant* des Europäischen Forschungsrats in Höhe von 1,5 Millionen Euro erhalten. Im Interview erzählt der Professor für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation, wie Zahlen ihn immer schon begeistert haben, was Innsbruck als Arbeitsort besonders macht und wo er in fünf Jahren mit seiner Forschung stehen will

 

Hannes, hast du immer schon in Zahlen gedacht?

Ich hab mich mit Zahlen immer schon sehr leicht getan, ich hatte schon im Kindergarten Spaß in Zahlen zu denken. In der Schulzeit hat mich dann auch vor allem Mathematik interessiert, wohl auch weil ich von meinen Lehrern diesbezüglich gefördert worden bin. Mein Lieblingsfach war immer Mathematik. Am Ende bin ich zwar in der theoretischen Physik gelandet, aber das ist im Grunde eine sehr mathematische Wissenschaft. Mein Lehrer in den letzten drei Oberschuljahren war selbst ausgebildeter Physiker. Er hat die Mathematik auch aus der Sicht des Physikers betrachtet, was mich sicher auch etwas geprägt hat. An der Uni habe ich dann erst realisiert wie gut und tief die mathematische Ausbildung war, die ich in meiner Schulzeit genossen habe.

 

Was hat dich an der Physik gereizt? 

Physik in der Schule ist sehr trocken, auch wenn sich die Lehrer Mühe geben. Das hat sich erst im Maturajahr gebessert, als wir uns eigene Themen erarbeiten konnten. Da habe ich mich zum ersten Mal mit der Relativitätstheorie und Quantenmechanik beschäftigt und verstanden, dass die Mathematik eine Spielwiese ist, aber die Physik mir eine neue Ebene eröffnet. Mir gab die Physik das Gefühl die Welt ein bisschen besser verstehen zu können. Und das hat schlussendlich mehr Reiz ausgeübt, als einfach mathematische Rätsel zu lösen. 

 

Du hast in Innsbruck Physik studiert und bist nach Jahren in Amerika 2020 dorthin zurückgekehrt. Seit April bist du Professor für Theoretische Physik mit dem Schwerpunkt Quantenoptik an der Universität Innsbruck. Ist Europa ein gutes Pflaster für Forschung?

Absolut. Die Forschungslandschaft in Mitteleuropa und im deutschsprachigen Raum ist sehr gut aufgestellt, gerade in meinem Gebiet gibt es in Europa mehrere Institute, die weltweit in der Spitzenposition sind. Es gibt sehr gute Wissenschaftler und hervorragende Unterstützung von Seiten der Universitäten und der nationalen und europäischen Forschungsförderungen. Trotzdem ist es wichtig, in die Welt hinauszugehen, um sich andere Eindrücke zu verschaffen. In Amerika läuft zum Beispiel vieles etwas anders. Das hat Vor- und Nachteile, und es ist gut, beide Seiten kennenzulernen. 

 

War eine Professur immer dein erklärtes Ziel?

Ja, wenn man sich für die akademische Karriere entscheidet, strebt man irgendwann eine Professur an. Der klassische  Weg dahin beginnt bei der Doktorarbeit und führt oft über Postdoc-Stellen an einer oder mehreren Forschungsstationen. Alle diese Stationen sind sehr spannend, und man kann in großen Forschungsteams an tollen Projekten arbeiten, aber irgendwann möchte man dann seine eigenen Ideen verwirklichen. Nach drei Jahren in Amerika habe ich mich weltweit auf verschiedene Stellen beworben. Und dann musste ich abwägen. Wo finde ich die besten Möglichkeiten vor? Wo das beste Umfeld? Wo sind die Ressourcen besser? Am Ende waren mehrere Faktoren ausschlaggebend, und die Wahl fiel auf Innsbruck. 

 

Was hat Innsbruck, was andere nicht haben?

Die Uni und die Akademie der Wissenschaften haben mir ein sehr gutes Paket angeboten. Ich konnte mir mein eigenes Forschungsteam aufbauen, das auch mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet ist. Innsbruck ist als Zentrum für Quantenphysik weltweit bekannt. Hier wird schon seit vielen Jahren Pionierarbeit in der Quantenphysik geleistet. Dementsprechend gibt es ein tolles Umfeld an Wissenschaftlern, mit denen man sich austauschen kann, was kann für ein erfolgreiches Forscherleben essentiell ist. Am Ende hat sicher auch die Tatsache, dass Innsbruck nah an daheim liegt, mit hineingespielt. Auch wenn es mich gereizt hätte, noch etwas länger weiter weg zu bleiben. 

Was ist das Schöne am Professor-Sein?

Ich kann meine eigenen Forschungsziele selbst definieren, mich mit dem beschäftigen, was mich interessiert und entscheiden, welche Fragen ich für mich beantworten möchte: Das macht mir am meisten Spaß. Die Wissensvermittlung an nachfolgende Generationen ist im alltäglichen Forschungsbetrieb nicht vordergründig präsent, spielt aber natürlich auch eine Rolle. Zurückkommen war auch deshalb für mich interessant, weil ich selbst viel von der Uni bekommen habe und ich nun etwas zurückgeben kann. 

 

Der Starting Grant wird projektbezogen vergeben und läuft über fünf Jahre. Inwiefern kann das Geld nun deine Forschung vorantreiben?

Damit werden hauptsächlich Studenten und Postdocs angestellt und Reisen finanziert. Forschungsreisen sind besonders für theoretische Physiker ein integraler Bestandteil der Arbeit. 

 

Wie würdest du Ottonormalverbraucher erklären, worum es bei der  Forschung zu Quanten-Vielteilchenphysik und Quanteninformationsverarbeitung geht und was das alles mit einem Quantencomputer zu tun hat?

Die Quantenphysik befasst sich mit den Naturgesetzen auf mikroskopischer, atomarer Ebene. Betrachtet man die Natur auf mikroskopischer Ebene, findet man heraus, dass sie sich etwas anders verhält, als man das im Alltag gewohnt ist. Da gibt es Phänomene, etwa, dass Objekte in gewissem Sinne an mehreren Orten gleichzeitig sein oder dass sie merkwürdig korreliert, also verschränkt, sein können. Das klingt zunächst bizarr, aber wenn man sich intensiv damit befasst, kann man sich auch dafür eine gewisse Intuition erarbeiten. Das Interessante daran ist, dass es mithilfe quantenmechanischer Phänomene gelingt, Dinge zu tun, die sonst unvorstellbar wären. In der Quanteninformationsverarbeitung versucht man dies systematisch zu nutzen. Die Idee ist, dass man mit einem Quantencomputer irgendwann Probleme lösen kann, die wir mit „normalen“ Computern, die auf den Gesetzen der klassischen Physik beruhen, nicht lösen können. 

 

Was ist das Ziel in diesen fünf Jahren Projektlaufzeit?

Auch wenn die Quanteninformation noch ein sehr junges Feld ist, kennt man heute schon einige Anwendungen, für die Quantencomputer sehr hilfreich wären, zumindest theoretisch. Wie man solche Quantencomputer am besten realisiert, ist aber immer noch nicht endgültig geklärt. Der Stand der Forschung ist, dass wir zwar schon Prototypen von Quantencomputern haben, aber die Entwicklung ist noch nicht dort, wo man gerne hinmöchte. Wir stehen in gewissem Sinn am Anfang der Entwicklung von Quantenmaschinen. Eine wichtige Fragestellung der aktuellen Forschung ist: Wie können wir Quantencomputer größer, robuster und mächtiger machen, sodass sie wirklich Probleme lösen können, die man mit klassischen Computern nicht lösen kann? Und zu der Entwicklung trägt auch unsere Forschung in den nächsten fünf Jahren bei. 

 

* ERC Starting Grants

Mit den ERC Starting Grants unterstützt der Europäische Forschungsrat junge Forscher*innen mit hoch dotierten Projektbudgets. 

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